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Ich glaube, ich war ein böser Mensch

L

Lena119

Gast
Hallo erstmal,
ich bin noch neu hier und hoffe, dass das hier das richtige Forum für meine Frage ist. Seit ich 14 Jahre alt bin, habe ich eine Essstörung und war immer mal wieder von Alkohol abhängig. Nun bin ich seit einigen Wochen "clean" und auf einmal steigen all diese Erinnerungen in mir auf. Ich glaube, als Kind war ich ein furchtbarer Mensch. Ich war gemein zu einem anderen Kind in der Grundschule, so sehr, dass ich es heute als Mobbing bezeichnen würde. Später wurde ich dann selbst gemobbt und weiß daher, wie schrecklich das ist, was ich da gemacht habe. Ich kann einfach nicht verstehen, wie ich so etwas tun konnte. Auch sonst habe ich als Kind oft nur an mich gedacht, mal was gestohlen (allerdings aus schlechtem Gewissen zurück gegeben), meine Brüder drangsaliert und ständig nur Unsinn gemacht. Verantwortung habe ich kaum übernommen und alles vernachlässigt, was Arbeit bedeutet hätte. Ich habe Schuleigentum beschädigt, geschwänzt etc. Heute bin ich ganz anders, aber nun werde ich von furchtbaren Schuldgefühlen gequält und kann nicht aufhören zu denken, dass ich nicht nur das Mobbing und die Essstörung verdient habe, sondern es jetzt auch nicht verdiene, gesund zu werden, weil ich so ein schlechter Mensch war und so viel Schuld auf mich geladen habe. Ich bin nicht religiös, also gibt es niemanden der mir Absolution erteilen könnte und weil all das so lange her ist (ich bin inzwischen 25) , weiß ich auch nicht, wie ich es wieder gut machen könnte.

Also ich schätze, meine Frage ist: Wie kann man mit Schuld umgehen, die real und berechtigt ist, die man aber nicht wieder gut machen kann?
Danke schon mal für alle, die sich diese lange Nachricht durchgelesen haben.
Lena
 

HalliGalliSuperstar

Aktives Mitglied
Hallo Lena,

was würdest du sagen, wenn dir jemand folgendes über sich erzählen würde (oder was denkst du, was die meisten Menschen dazu sagen würden, wenn jemand folgendes über sich erzählen würde):

Ich glaube, als Kind war ich ein furchtbarer Mensch.
Ich kann (...) nicht verstehen, wie ich so etwas tun konnte.
Heute bin ich ganz anders
Denkst du, die Leute wären abgestoßen von so jemand und würden ihn verurteilen? Oder würden sie sagen: "Als Kind und Jugendliche machen wir alle Fehler, blöd ist nur, wenn man nichts daraus lernt. Schwamm drüber."? Käme dir ein Mensch, der sagt, ich hab Fehler gemacht, aber daraus gelernt und mich geändert, nicht sogar seriöser vor als jemand, der sagt, er habe noch nie schlimme Fehler begangen?

Ich war gemein zu einem anderen Kind in der Grundschule, so sehr, dass ich es heute als Mobbing bezeichnen würde. Später wurde ich dann selbst gemobbt und weiß daher, wie schrecklich das ist, was ich da gemacht habe.
Was bedeutet, dass du es vorher nicht wusstest. Du hast dir keine großen Gedanken darüber gemacht. Du bist nur deinen Gefühlen gefolgt. Es hat dir irgendwas gegeben, und deshalb hast du es weiter gemacht. Aber weißt du was? Das trifft wahrscheinlich auf fast alle Kinder zu, die hänseln oder andere Kinder schikanieren. Wir haben damals in der Schule einen Lehrer auf den Arm genommen, der etwas weltfremd war und sich nicht durchsetzen konnte. In jeder Schulklasse wurde das mit ihm gemacht. Irgendwann war er nervlich am Ende, konnte nicht mehr arbeiten. Heute sage ich: Ja, das war nicht nett. Aber wir waren Kinder. Kinder können grausam sein. Jeder weiß das. Das ist ein bekannter Satz. Und du warst auch ein Kind. Kinder haben keine große Verantwortung, weil sie noch nicht viel wissen über die Welt und die Konsequenzen oft nicht abschätzen können. Es gibt das Wort Jugendsünden, mit dem man andeutet, dass sie verzeihlich sind, weil Jugendliche noch nicht reif sind. Ebenso das Jugendstrafrecht. Aber bei dir ist es ja NOCH früher und damit NOCH verzeihlicher.

Auch sonst habe ich als Kind oft nur an mich gedacht, mal was gestohlen (allerdings aus schlechtem Gewissen zurück gegeben), meine Brüder drangsaliert und ständig nur Unsinn gemacht. Verantwortung habe ich kaum übernommen und alles vernachlässigt, was Arbeit bedeutet hätte. Ich habe Schuleigentum beschädigt, geschwänzt etc.
Als Kind. Nicht als Erwachsener. Und: Du hast etwas Gestohlenes zurückgegeben, aus schlechtem Gewissen. Das hört sich für mich nicht nach einem sehr verdorbenen Kind / Menschen an.

Seit ich 14 Jahre alt bin, habe ich eine Essstörung und war immer mal wieder von Alkohol abhängig.
nun werde ich von furchtbaren Schuldgefühlen gequält und kann nicht aufhören zu denken, dass ich nicht nur das Mobbing und die Essstörung verdient habe, sondern es jetzt auch nicht verdiene, gesund zu werden, weil ich so ein schlechter Mensch war und so viel Schuld auf mich geladen habe.
So viel Schuld? Ich denke, dass du nicht schlechter warst als ganz viele andere Kinder auch, und du hast dich auch nicht bewusst dazu entschieden, denn Kinder sehen die Welt nicht so klar. Selbst mit 25 siehst du manche Dinge noch nicht so klar wie später mit 40.

Meine Güte, niemand würde sagen, dass du auch nur eins deiner Probleme verdient hättest. Okay, sagen wir niemand außer der gemobbten Person vielleicht. Aber ganz sicher rechtfertigen diese "Kindersünden" nicht, dass du dein ganzes Leben lang leiden sollst. Du hast doch schon genug durchgemacht. Vielleicht warst du eine Art Täterin, aber du warst auch ein Opfer. Dein Konto ist mehr als ausgeglichen.

Vielleicht warst du als Kind nicht immer nett, aber so sind Kinder eben. Hak es ab. Jetzt musst du vielmehr kucken, dass du im Leben zurechtkommst, und da ist es sicher nicht hilfreich, ständig zu denken: Ich verdiene es, krank und süchtig zu sein. Wer bitte schön soll denn deinen Lebensunterhalt und später deine Rente zahlen, wenn du lieber krank und süchtig bist? Sind diese Schuldgefühle nicht eine Ausrede, um dich zurück in die Störung und Abhängigkeit begeben zu können? Deine Aufgabe im Leben ist jetzt, diese Dämonen in Schach zu halten, nicht rückfällig zu werden und ein gutes, stabiles Leben zu führen. Damit hast du sicherlich genug zu tun. Und nicht, irgendwelche Kinder von vor 20 Jahren zu bemitleiden.

weiß ich auch nicht, wie ich es wieder gut machen könnte.
Du könntest der gemobbten Person sagen oder schreiben, dass es dir leid tut, und fragen, ob du etwas für sie tun kannst. Oder du könntest sonstwie Gutes tun. Aber wie gesagt, ich finde erstens nicht, dass du so viel Schuld auf dich geladen hast, zweitens dass es verjährt ist, drittens dass du genug gestraft wurdest und viertens dass du gerade wichtigere Dinge im Leben zu tun hast.

Also ich schätze, meine Frage ist: Wie kann man mit Schuld umgehen, die real und berechtigt ist, die man aber nicht wieder gut machen kann?
Ich würde sagen, die Frage lautet eher, wie du ein realistisches Maß dafür bekommst, was man einem Kind an Verantwortung aufladen kann und was nicht und womit man sich selbst belasten soll und mit was nicht. Deine Schuldgefühle helfen niemandem weiter. Kuck lieber, dass du dein Leben auf die Reihe kriegst, ein stabiler, umgänglicher Mensch bist oder wirst. Damit leistest du mehr für andere und für die Gesellschaft, als wenn du dich weiter selbst zerfleischst und rückfällig wirst.

Alles Gute
 
D

Die Queen

Gast
Nichts für ungut, aber für solch melodramatische Formulierungen wie "böse", "verdorben" und "große Schuld", sollte man mindestens jmd umgebracht haben ^^

Aber das, was du erzählst, nennt man Pubertät. Klar Mobbing entschuldigt es nicht, aber jmd wegen stinknormalen Teenie Verhalten zu verdammen?

Woher kommt dieser Drang nach Selbstkasteiung? Gerade jetzt im Erwachsenenalter?
 
L

Lena119

Gast
Erstmal danke an alle für die Antworten, vor allem an HalliGalliSuperstar! Ich weiß auch nicht, warum ich ausgerechnet jetzt so damit zu kämpfen habe. Vermutlich, weil ich zum ersten Mal seit Jahren nicht permanent benebelt und betäubt bin.

Vielleicht warst du als Kind nicht immer nett, aber so sind Kinder eben. Hak es ab. Jetzt musst du vielmehr kucken, dass du im Leben zurechtkommst, und da ist es sicher nicht hilfreich, ständig zu denken: Ich verdiene es, krank und süchtig zu sein. Wer bitte schön soll denn deinen Lebensunterhalt und später deine Rente zahlen, wenn du lieber krank und süchtig bist? Sind diese Schuldgefühle nicht eine Ausrede, um dich zurück in die Störung und Abhängigkeit begeben zu können? Deine Aufgabe im Leben ist jetzt, diese Dämonen in Schach zu halten, nicht rückfällig zu werden und ein gutes, stabiles Leben zu führen.
Das stimmt vermutlich und vielleicht ist es auch ein Stück weit die Angst davor, jetzt mein Leben auf die Reihe bekommen zu müssen (und da gibt es eine Menge auf die Reihe zu bekommen, nachdem ich die letzten 10+ Jahre alles zu Gunsten der Sucht zurückgestellt und vernachlässigt habe), die diese Schuldgefühle noch verstärkt, damit ich rückfällig werde.

Du könntest der gemobbten Person sagen oder schreiben, dass es dir leid tut, und fragen, ob du etwas für sie tun kannst. Oder du könntest sonstwie Gutes tun.
Kuck lieber, dass du dein Leben auf die Reihe kriegst, ein stabiler, umgänglicher Mensch bist oder wirst. Damit leistest du mehr für andere und für die Gesellschaft, als wenn du dich weiter selbst zerfleischst und rückfällig wirst.
Danke, das sind sehr nützliche Gedanken. Ich habe in den letzten Jahren immer versucht, möglichst viel Gutes für andere zu tun, aber natürlich kann man das nur sehr eingeschränkt, wenn man süchtig ist. Vielleicht kann mir dieser Gedanke helfen, der Versuchung nicht nachzugeben und rückfällig zu werden.
 
E

ElsterFänger

Gast
Warum verurteilst du dich selber, für das was du als Kind getan hast?
Lebst in der Vergangenheit , die kannst du nicht ändern, Rückgängig machen.
Dich nun selbst bestrafen hilft dir nicht für deine Zukunft.
Es gibt keine Schuld, nur Verantwortung, indem du erstmal gutes für ( Dich ) tust.
Woher kannst du die Liebe und Zuneigung nehmen die du andern geben willst?
Die solltest du erstmal in dir , zu dir >selbst entdecken...
Selbstbestimmt leben: „Nichts ist mächtiger als eine klare Entscheidung für die eigenen Ziele“ (editionf.com)
 

Bücherpuppe

Moderator
Teammitglied
Hallo,

Du bist doch auf dem richtigen Weg.

Es ist wichtig, dass du lernst auch dir dafür zu verzeihen und dann mit dem alten abschließt.

Und versuch dich genauso gut zu behandeln wie alle anderen.

Alles Gute
 

Hase C.

Sehr aktives Mitglied
Wenn Du Dich schlafen legst:
Nimm Dir 5 oder 10 Minuten Zeit,
komm zur Ruhe (keine Ablenkung wie Handy oder PC/Fernseher),
bete zu Dir selbst (oder Gott oder Allah oder Buddha, egal)
und bitte um Verzeihung.
Bitte, dass Du Dir selbst vergeben kannst.
Mach das jeden Abend eine Zeit lang.
Würde mich wundern, wenn es Dir nicht helfen würde.

LG,
Hase
 
G

Gelöscht 117709

Gast
Man verändert sich im Laufe seines Lebens. Früher war ich auch anders. Meinem pubertären Ich verzeihe ich aber. Denn damals war ich nicht frei, sondern beeinflusst von Hormonen, Eltern und schlechten Freunden. Also bitte mach dir keine zu großen Gedanken, du bist heute ein anderer Mensch.
 
L

Lena119

Gast
Danke für die Antworten! Es fällt mir sehr schwer, mir selbst zu verzeihen. Ich bin generell sehr streng mit mir, wenn es um moralisches Verhalten geht (habe auch lange Zeit unter diesbezüglichen Zwangsgedanken gelitten). Ich würde das Thema gerne bei meiner Therapeutin ansprechen, habe aber Angst, dass sie mich dann nicht mehr mag. Ich weiß, das sollte die Therapie nicht beeinflussen, aber sie ist gefühlt der erste Mensch, der mir wirklich hilft und ich habe furchtbare Angst, sie zu verlieren.
LG Lena
 

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