Ich habe in meinem Leben das Glück gehabt, viele besondere Menschen kennenzulernen. Ich will heute von einem berichten, über den ich immer noch viel nachdenke.
Claus
Ich war zu der Zeit meiner Umschulung zum Industriekaufmann eine freche Sau. Als es gegen Ende zuging, suchte ich nach einer Arbeitsstelle. Es war Anfang der 80er Jahre als es noch Stellen gab.
In einer Motorrad-Fachzeitschrift wurde eine Kaufmann für Büro und Außendienst gesucht.
Frech wie ich war, bewarb ich mcih dort schriftlich mit den Worten: Alles was sie verlangen kann ich und noch mehr darüberhinaus. Eigentlich wollte ich diese Stelle nicht wirklich, denn diese Firma lag direkt 50 Autobahn-Kilomter weg von meiner Wohnung. Und ich hatte zwar einen Opel-Zweisitzer, aber der krankte leider öfters mal.
Jedenfalls lud man mich ein. Im letzten Augenblick wollte ich noch abspringen, weil zu Hause noch ein besseres Angebot hereinkam: Als Industriekaufmann, Luftfracht vermitten. Ich sah einen Geschäftswagen vor mir, Frankfurt, Stuttgart, die Airports, Flugzeuge. Als ich bei dem Motorrad-Bekleidungshersteller anrief um alles rückgängig zu machen, meldete sich ein Claus:
Mikenull ( natürlich sagte er meinen richtigen Namen ) das kannst Du nicht machen. Du mußt kommen und mir schaffe dann hier zamme.
Ich fuhr hin. Kleiens Bürogebäude, vier Angestellte, der Chef, ein alternder Porsche-Fahrer und eben sein Verkaufleiter dieser Claus. ich schaute mir alles an, man zeigte mir mein Büro und ging sofort auf meine Forderung ein Monatsgehalt von 3000 Mark plus Benzingeld, plus Mittagessen, ein. ( Später bekam ich eine rote Alfetta als Geschäftsfahrzeug )
Ich begann einen Monat später - jeden Tag 50 Kilomter Autobahn mit dem roten Zweisitzer - Arbeit ohen Ende. Morgens Büro, Aufträge annehmen, Mittags ins Ladengeschäft den jungen Verkäufer kontrollieren, ums Eck in die Näherei Ware abholen, zurück ins Büro, Anzüge verpacken und auf die Post bringen etc. Ich war zumeist bis 18 Uhr in der Firma. Und natürlich an jedem Sommer-Wochenende auf irgendwelchen Rennstrecken um nach den gesponserten Rennfahrern zu sehen.
Mit Claus zusammen fuhr ich in den Außendienst, Deutschland komplett und die Schweiz. Claus war genau der Typ den man sich vorstellt unter einem Verkäufer der einem Neger einen Heizlüfter verkaufen kann. Sprachlich so begabt, daß ich oft dachte, Mein Gott, der spielt nicht Emil, der ist es.
Der sprach mit den Schweizer Grenzern im perfekten Schwizer-Deutsch und ich machte mir in die Hosen vor Lachen. Wir waren dann mal zusammen in Urlaub bei englischen Freunde nahe Liverpool und Claus sprach nicht nur wie ein Engländer, er dachte auch so. Es war wunderschön, mit dem dicken BMW über die schmalen Sträßchen, an den Klinker-Häuschen vorbei und ich lernte die Musik von Steeleye Span kennen. ( die höre ich heute noch, wie man weiß )
Auf einer langen Autobahnfahrt runter von Hamburg hat er mir das Leben gerettet. Ich hatte die 200 stehenlassen ( BMW 3,0 SI ) , man war ja routiniert. Irgendwann sagte er ganz trocken und leise zu mir: Miknull, du solltest ein wenig bremsen, dort vorne steht alles.
Hoppla, damals hatten die Autos kein ABS. Vorne blinkte alles und es war eine einzige Blechlawine. Bremsen, quergehen, Bremsen loslassen, wieder quer und wieder loslassen Bei 200 merkt man gar nicht, daß es langsamer wird.
Irgendwie habe ich es geschafft in die Notarzt-Gasse reinzubremsen. Aber wenn Claus das nicht so sanft gesagt hätte und ich wäre in Panik gefallen.......keine Chance.
Mit Claus gründete ich dann die erwähnte Firma, die heute in Motorrad-Kreise weltbekannt ist
Aber es gab private Differenzen, die mich dazu bewogen frühzeitig auszusteigen. Claus hat diese ehemals winzige Firma dann groß gemacht und sie hat heute 15 oder 20 Mitarbeiter.
Wir verloren uns aus den Augen.
Jahre später sah ich ihn mal im Fernsehen, als er mit zwei anderen in einer Musiksendung auftrat - er war ein wirklich guter Gittarist und Sänger. Das letzte Mal als ich ihn traf, war auf einer Go-Kart-Bahn im Badischen. Wieder kamen ein paar Jahre, in denen ich seinen Aufstieg nicht mehr verfolgte.
Irgendwann um 2005 rief ich ihn an, weil wir wohl denseleben Kunden belieferten ( also ich meiner meiner Firma ), der Kunde aber unzufrieden war. Wir redeten längere Zeit und mir ist folgendes in Erinnerung geblieben: Was machst Du in Frankreich? Ich sagte: Da ist das Leben billiger, ich kann mir ein Haus leisten, das wäre in Deutschland nicht möglich.
Ah, sagte er, aber da sind die Zigaretten ja noch teuerer.
Sag nur, Du rauchst noch?
"Aber natürlich!
Vor fünf Jahren kam dann ein Bericht in der Fachpresse über ihn. Der Krebs hatte ihn an der Lunge erwischt Er ging an Krücken, weil wohl die Chemo-Behandlung die Hüfte kaputtgemacht hatte.
An einem dritten Januar ist er im Alter von gerade mal 59 Jahren verstorben. Obwohl mich seine Familie eingeladen hatte, bin ich nicht zu seiner Beerdigung hingefahren.
Er war ein ganz großer Mensch, den ich kennenlernen durfte und ich bin dafür dankbar.