Mein Problem ist Depression und Suizidgedanken (ich hab es aber noch nicht versucht). Ich hab mich jahrelang auf Antidepressiva verlassen und mich vor der Gesprächstherapie gedruckt, da ich nicht wußte, wie ich mein Leiden in klare Wörter übersetzen soll. So geht es mir immer noch. Ich finde es schwer, das, was wirklich wehtut, anzusprechen. Meine Therapeutin glaubt zwar, Einiges geklärt und verstanden zu haben (schwere Kindheit, ich war von meinem Vater-Alkoholiker ständig verprügelt) und dennoch weiß sie auch nicht so richtig (kommt mir so vor), wohin mit mir. Ich habe trotz Tabletten schwere Stimmungen, Albträume und Ängste, und Schwierigkeiten, Kontakte zu knüpfen. Und Neigung zu Magersucht... hmmm, reicht, oder. Jedenfalls danke für dein Interesse und für das Nachfragen.
Hallo Masako,
gerade dann, wenn sehr viele und schwere Probleme
gemeinsam auftreten, ist es hilfreich, viel darüber zu
sprechen, was denn das Ziel einer Therapie ist - also
wie dein Leben aussähe, wenn es (wieder) "gut" ist.
Zur Vereinfachung taugt hier die Methode der 1-10-
Skalierung: Stell dir vor, auf einer Skala von 1 bis 10
stünde die 1 für eine Zeit, wo es dir so schlecht geht,
dass du lieber nicht mehr leben würdest. Die 10 steht
für "alles ist perfekt - so kann es immer weiter gehen".
Wo auf dieser Skala würdest du dich aktuell einordnen?
Und was ist dein Ziel (für die Therapie) auf der Skala,
wo du sagen kannst: Jetzt ist es okay, ich kann ohne
diese Unterstützung mein Leben gestalten?
Angenommen, du sagst: Ich bin auf Skalenwert X.
Dann würde ich mit dir daran arbeiten (als dein Thera-
peut), was denn für dich X+1 wäre - also welche Ver-
änderung diesen +1-Unterschied ausmachen würde
und dann vielleicht noch darüber, wann du zum letzten
Mal eine X+1-Phase hattest und was du damals anders
gemacht hast, um diesen Fortschritt zu erzielen.
Der Unterschied zu sehr problemorientierten Gesprächen
ist hier, dass vor allem über Lösungsideen gesprochen
wird und das erhöht erfahrungsgemäß die Wahrschein-
lichkeit, dass diese Lösungen auch geschehen. Es genügt
auch völlig, zu sagen: Ich habe ein Problem. Man muss
das nicht im Detail erklären oder gar völlig verstehen.
Es ist nur der Anlass dafür, etwas verändern zu wollen,
nicht der Hauptinhalt der Gespräche. Hier machen viele
Therapeuten aus meiner Sicht einen Kardinalfehler. Sie
arbeiten mit ihren Klienten als wären diese ein kaputtes
Auto (das sich selbst keinesfalls reparieren kann und
auch nichts über sich selbst weiß). Da macht es dann
auch keinen Unterschied mehr, ob man 5 oder 10 oder
200 Stunden in so einer Therapie verbringt - im Gegen-
teil: nach 200 Stunden Problemgespräch ist das Gehirn
überzeugt, dass es wichtig ist, das Problem am Leben
zu erhalten
Gruß, Werner