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Gedanken vor der Präsentation

LaJeunessePerdue

Neues Mitglied
Ich sitze gerade in der Bibliothek an der Uni und warte. Ich fühle mich wie ein Schwein, das kurz davor steht, auf die Schlachtbank geführt zu werden. Eigentlich ein ulkiger Vergleich, dieses Referat gleichzusetzen mit einer Tötungsmaschine, die jährlich zigtausenden - ach, was rede ich, Millionen- Tieren das Leben nimmt. Dabei weiß ich nicht einmal, ob so ein Tier überhaupt Angst oder Panik vor der Schlachtung empfindet. Klar ist, dass auch Tiere Gefühle haben und Emotionen empfinden können. Ob sie allerdings auch Angst verspüren? Vermutlich sind sie dazu generell in der Lage, immerhin haben manche Tiere einen ausgeprägten Fluchtreflex, der sie bei Gefahr das Weite suchen lässt. Andererseits kann diese Frage doch gar nicht beantwortet werden. Ob das Tier wohl weiß, was auf es zukommt, spielt nämlich eine entscheidende Rolle meiner Meinung nach. Wenn es nicht weiß, dass sein Leben in den nächsten Minuten gleich vorbei sein wird - wie bzw. wovor soll es dann Angst empfinden?

Jedenfalls schweife ich schon wieder ab, obwohl: Wovon schweife ich eigentlich ab? Ich habe ja nicht einmal ein festgelegtes Thema, über das ich hier schreiben möchte. Ich möchte einfach meine Gedanken los werden und mich so beruhigen vor dem Vortrag. Das hat auch bisher ganz gut geklappt, bis ich ihn im vorherigen Satz wieder erwähnt habe: Meinen Vortrag.

Inzwischen sind es noch knapp 90 Minuten, bis ich vor meinen Seminarkollegen stehen und über ein Thema reden muss, über das ich am Sonntag recherchiert habe. Gut, von Recherche kann man bei mir nicht wirklich sprechen - alibimäßig habe ich mir aus der UB für mein Thema relevante Forschungsliteratur herausgesucht und mir mit den Büchern im Rucksack fest vorgenommen, dass bei diesem Vortrag alles anders wird, dass ich frühzeitig mit dem Lesen beginne, dass ich wirklich versuche, das Thema in all seinen Facetten prägnant darzustellen … kurzum: dass ich einen gelungenen Vortrag halte. Doch in den Tagen, nachdem ich die Bücher bei mir zu Hause im Schrank deponiert hatte, hat sich bei mir der alte Schlendrian eingeschlichen - wie hätte es auch anders sein sollen? So kam es, dass ich mich erst am Sonntagnachmittag überhaupt an das Referat herangetraut und die ersten Bücher gewälzt habe. Was soll ich sagen, ich hasse Forschungsliteratur. Nicht nur deshalb, weil in diesen Monografien und Aufsatzsammlungen gefühlt alles viel komplizierter ausgedrückt wird, als es eigentlich ist, sondern auch weil ich das Gefühl habe, dass diese Artikel, für die sich Wissenschaftler viel Mühe gegeben haben, sowieso später niemand mehr durchlesen wird - abgesehen von ein paar geplagten Studenten, die über exakt dieses Thema ein Referat halten sollen … Sozusagen dient die Wissenschaft hier niemandem außer sich selbst.

Ach, keine Ahnung, wer bin ich eigentlich, dass ich als Studentin im fünften Fachsemester (Hochschulsemester sind es viel mehr) mir anmaße, eine wissenschaftliche Fachpublikation und deren Nutzen zu beurteilen? Am Sonntag war ich einfach so dermaßen frustriert, da die extra ausgeliehene Literatur, die übrigens auch mein Dozent empfohlen hatte, nichts hergab. So hab ich das gemacht, was wahrscheinlich jeder Student schon einmal gemacht hat, und Infos zu meinem Thema auf Wikipedia gesucht. Und, voilà, dieser knappe Wikipediaartikel über mein Thema hat das geschafft, was zig Aufsätze und andere Literatur nicht geschafft haben: Das Thema prägnant in den wichtigsten Grundzügen zusammenzufassen. Hoffentlich merkt mein Dozent nicht, dass die Struktur meines Vortrages im Groben der von Wikipedia entspringt, obwohl ich in der Bibliographie natürlich nicht Wikipedia als Quelle angegeben habe. Ich habe sogar noch nach den Quellen des Wikipediaartikels geschaut, darunter waren tatsächlich auch einige Bücher, die ich aus der UB hatte, also kann Wikipedia hier so falsch nicht sein …

Ich hoffe einfach, dass alles gut läuft. Gestern bin ich den Vortrag mit meinen ausgedruckten Karteikarten nochmal durchgegangen, um in etwa zu wissen, wie ich zeitlich liege. Na ja, mit 25 Minuten ist der Vortrag knapp zehn Minuten zu lange, aber ich bin bei Präsentationen immer so nervös, dass ich schneller als gewöhnlich spreche. Ich denke, das Zeitdefizit kann ich so ausgleichen. Und wenn nicht - dann sei es drum. Es ist nur ein unbenoteter Vortrag; die einzige Leistung, die in diesem Seminar zählt, ist nur die Hausarbeit am Ende. Insofern habe ich eigentlich keinen Grund, so eine Panik zu schieben. Niemand wird mir in 75 Minuten, wenn ich dann präsentiere, den Kopf abreißen. Niemand wird sich über mich lustig machen, wenn ich zittere, rot werde oder mich verhasple. Niemand wird denken, ich sei dumm oder sonst irgendwie minderbemittelt, wenn mir die richtige Formulierung oder das richtige Wort nicht einfällt. Die anderen werden froh sein, dass sie nur eine passive Rolle einnehmen dürfen, während jemand anderes ihnen Input liefert. Wenn ich so an die bisherigen Vorträge meiner Kommilitonen zurückdenken, die ich bisher mir anhören durfte, dann konnte ich mich an den Großteil des Vortrags am nächsten Tag überhaupt nicht mehr erinnern. Und wenn doch, dann war es mir egal. So wird es wohl sein; meinen Kommilitonen wird es egal sein, wie beschissen oder gut mein Vortrag ist. Jeder wird mir wohlgesonnen sein und sich freuen, dass nicht sie diejenigen sind, die im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen.

Ich schaffe das! In weniger als zwei Stunden ist es schon vorbei und ich kann mich entspannt und erleichtert auf meinen Platz in den hinteren Reihen fallen lassen und nur noch physisch im Seminar präsent sein. Es ist jetzt 13:05, in 70 Minuten beginnt mein Vortrag, in 90-100 Minuten ist er wieder vorbei. Ich werde mich jetzt wieder meinen Karteikarten zuwenden und versuchen, den Vortrag ein letztes Mal in meinem Kopf vorzusprechen, damit später nicht alles wie abgelesen wirkt. Mein Unterkiefer zittert im Moment zwar, aber davon und von der inneren Unruhe werde ich nicht sterben. Es ist nur im Moment unangenehm, aber auch das wird vorübergehen. Ich muss nur die nächsten Minuten durchstehen.

Du schaffst das, Vanessa!
 

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