Und meine Erfahrung beruht gerade auch auf der Uni, was gerade Du ja wissen solltest. Das ist DER Platz schlechthin jemanden zu finden. Und ich rede hier nicht von den attraktiven Menschen mit super Charakter. Nein, jeder schräge Vogel hat da was gefunden. Wenn man ein wenig Nettigkeit oder ein wenig Attraktivität besitzt.
Daher ist die Frage durchaus berechtigt ob man nicht ein bisschen vorsichtig sein sollte, wenn da jemand wirklich NULL Interesse erweckt hat.
Vielleicht hat er ja sogar Interesse erweckt, hatte aber zu wenig Selbstbewusstsein, um dies zu merken bzw. auch nur für möglich zu halten und entsprechend darauf zu reagieren. Oder er hat das Interesse der betreffenden Person eben nicht erwidert. Andere haben dagegen dann sein Interesse an ihnen nicht erwidert.
Auch so ein Vorurteil: Nur weil jemand nie einen Partner hatte, ist das kein Beweis dafür, dass sich nie jemand für ihn interessiert hat.
Es ist auch immer eine Portion Glück notwendig, und die hat nicht jeder.
Umgekehrt können gerade Menschen, mit denen wirklich etwas nicht stimmt, sehr attraktiv sein: An meiner Schwester, höchstwahrscheinlich schizophren, waren während ihrer Studienzeit mindestens zwei Männer ernsthaft interessiert, Männer übrigens, nach denen andere Frauen sich alle Finger abgeleckt hätten. Sie war lebhaft, fröhlich, nicht auf den Kopf oder Mund gefallen und sah mit ihren langen blonden Haaren attraktiv aus, hatte an der Uni auch viele Freunde. Dennoch ließ sie keinen Mann wirklich an sich heran, es wurde zwar geflirtet, aber wenn er mehr Interesse zeigte, bekam er eine Abfuhr. Vielleicht war sie damals schon gestört, ohne dass man es merkte. Ihr Studium hat sie dann ja auch nie zu Ende geführt.
Meine Cousinen, die zwar nicht schlecht, dennoch keineswegs attraktiver aussehen als meine Schwester, aber Partner haben, würden mir wahrscheinlich nicht mal glauben, dass sich jemals jemand für meine Schwester interessiert hat, nur weil sie zu weit weg wohnen und dies damals nicht mitbekommen haben. Eine von ihnen hat zunächst einen Alkoholiker geheiratet, der sich schon vor der Heirat an der Kasse seines Chefs vergriffen und daraufhin die fristlose Kündigung erhalten hatte. Heute zieht sie ihr ganzes Selbstwertgefühl aus der Tatsache, dass sie innerhalb eines Jahres nach der Trennung/Scheidung schon wieder den nächsten Lebensgefährten hatte, mit dem sie inzwischen seit 24 Jahren zusammen ist. Eine andere hat zugesehen, dass sie schnell schwanger wurde, "musste" mit 20 heiraten und hat sich bei ihrem Mann ins gemachte Nest gesetzt. Eine weitere hat schon mit 17 ihr erstes Kind bekommen. Die vierte hat mit 25 geheiratet, gegen den Mann ist nichts einzuwenden, mit abfälligen Bemerkungen hält sie sich wenigstens zurück. Was sie hinter meinem Rücken über meine Schwester und mich sagt, weiß ich natürlich auch nicht. Da alle vier in ländlicher Umgebung wohnen, ist zu spüren, dass sie die Grundeinstellung haben, dass jemand ohne Partner defizitär ist und mit ihm was nicht stimmt. Bei einem Familientreffen vor zehn Jahren schimmerte das zwischen den Zeilen durch. Wenn sie über alleinstehende Menschen aus ihrem Ort sprachen, hieß es mit einem mitleidigen und gleichzeitig selbstzufriedenen Unterton : "Ja, sie ist halt allein....". Von Hochachtung oder Gleichwertigkeit war da nichts zu spüren. Zu der Zeit hatte ich selbst keinen Partner. Ich hatte es gewagt, im Gespräch zu erwähnen, dass ein Arbeitskollege mir von dem Rotweinwanderweg bei Bad Neuenahr-Ahrweiler erzählt hatte und ich dort auch gern einmal wandern würde (eine nicht allzu weit von dort entfernt wohnende Cousine war vor dem Familientreffen mal mit ihrem Mann und Bekannten dort gewandert). Da ging es von ihrer Seite auch sofort überheblich los: "Das macht man doch nicht allein, das muss man zu mehreren machen!" Da hätte sie auch gleich sagen können: "Du hast ja offenbar niemanden, der sich in seiner Freizeit mit dir abgeben will." Das ist deren Grundhaltung zu alleinstehenden Menschen. Die Beziehung zu dieser Person hat sich danach - auch bedingt durch den Tod meiner Mutter und die Probleme mit meiner Schwester, mit denen ich von den Verwandten komplett allein gelassen wurde - immer mehr verschlechtert. Inzwischen haben wir nichts mehr miteinander zu tun. Und an einem Treffen werde ich auch nie mehr teilnehmen, das bringt mir nichts Positives, wenn die Lebensläufe und -stile so unterschiedlich sind und die Toleranz so gering ist. Es braucht sich auch niemand aus purem Mitleid mit mir zu treffen, nur um mich auszuhorchen und sich selbst zu bestätigen, dass er (scheinbar) viel erfolgreicher im Leben ist.
Schon weil sie seit Jahren wissen, dass meine Schwester psychisch schwer krank ist, ist das Verhältnis auch zu mir eher distanziert. Mit einer "Bekloppten" und ihren nahen Angehörigen wollen sie lieber nicht so viel zu tun haben, das ist denen nur peinlich, und was könnten ihre Nachbarn auf dem Dorf von ihnen denken, wenn sie erführen, dass sie einen solchen "Fall" in der Verwandtschaft haben? Zu einer Cousine ist der Kontakt etwas enger, aber jetzt auch nicht so, dass ich sie jederzeit anrufen würde. Zu Geburtstagen und Feiertagen kontaktiert man sich, zwischendurch mal ein paar WhatsApps und Urlaubsgrüße, ca. einmal im Jahr ein Besuch. Aber damit kann man ja eigentlich auch zufrieden sein. Dennoch glaube ich, dass sie zu Personen, die schon in jüngeren Jahren einen Partner hatten, nicht allzu berufsorientiert sind und einen ähnlichen Lebensstil pflegen wie sie, ein herzlicheres, offeneres Verhältnis hat als zu mir. Erzwingen kann man das aber nicht.
Mit engstirnigen und intoleranten Menschen, die von vornherein unterstellen, ein alleinstehender Mensch habe bei seinen Mitmenschen oder beim anderen Geschlecht nie Interesse erweckt, sollte man sich gar nicht erst abgeben.