weidebirke
Urgestein
Lieber Vati,
dass es so enden soll, ist schwer zu ertragen.
Ein Intellektueller mit tiefem Feinsinn. Alles Unästhetische war Dir zuwider. Jetzt trägst Du Jogginghosen, damit die Pfleger Dein Inkontinenzmaterial leichter wechseln können. Niemals in Deinem Leben trugst Du jemals Jogginghosen.
Du tigerst über die Station, stehst genauso sinnend und ziellos irgendwo, wie die anderen Dementen. Im Aufenthaltsraum riecht es streng nach Fäkalien und Urin.
Ich habe mir mindestens viermal in der Stunde meine Hände gewaschen.
Die Pfleger zurren Dir die Schuhe fest. Ohne Dich zu fragen oder es Dir mitzuteilen. Stirnrunzelnd hast Du nach unten geguckt. Das war Dir wohl gegenwärtig, dass man nicht ungefragt an anderen Menschen rumfummelt.
Es ist etwas Kuchen auf den klebrigen Boden (was da genau klebt, will ich gar nicht wissen, hoffentlich nicht das, was man riecht) herunter gefallen. Bevor ich mit dem Zellstoff da war, hattest Du es aufgelesen und in Deinen Mund gesteckt.
Vati, es ist unerträglich.
Immerhin hast Du mich erkannt, kurze Freude. Du hast Dich wirklich gefreut. Vati, ich werde kommen und Dich besuchen. Nur kurz, länger hattest Du keine Freude an mir,wolltest, dass ich gehe. Wolltest zurück zu den anderen in den Aufenthaltsraum.
Ich weiß auch nicht, wie ich mir Dein Altern und unsere Beziehung in dieser Phase vorgestellt hatte. Wir hatten es immer schwer miteinander. Ich habe verdrängt, dass Du sterben könntest, bevor wir zueinander finden. Ich war sicher, eine Beziehung wird niemals möglich sein. Dass es aber so sein könnte,auf die Idee bin ich nicht einmal gekommen.
Und kurz vor Deinem endgültigen Abdriften konntest Du mir erstmals in Deinem Leben sagen, dass Du mich lieb hast.
Ich wünsche Dir, dass es okay ist, sowie es ist. Dass es nur für mich so schrecklich ist. Dass Du nicht so sehr leidest. Oder dass Du, wenn Du sehr leidest, einen Weg findest, Dich zu verabschieden.
Ich habe Dich auch lieb.
dass es so enden soll, ist schwer zu ertragen.
Ein Intellektueller mit tiefem Feinsinn. Alles Unästhetische war Dir zuwider. Jetzt trägst Du Jogginghosen, damit die Pfleger Dein Inkontinenzmaterial leichter wechseln können. Niemals in Deinem Leben trugst Du jemals Jogginghosen.
Du tigerst über die Station, stehst genauso sinnend und ziellos irgendwo, wie die anderen Dementen. Im Aufenthaltsraum riecht es streng nach Fäkalien und Urin.
Ich habe mir mindestens viermal in der Stunde meine Hände gewaschen.
Die Pfleger zurren Dir die Schuhe fest. Ohne Dich zu fragen oder es Dir mitzuteilen. Stirnrunzelnd hast Du nach unten geguckt. Das war Dir wohl gegenwärtig, dass man nicht ungefragt an anderen Menschen rumfummelt.
Es ist etwas Kuchen auf den klebrigen Boden (was da genau klebt, will ich gar nicht wissen, hoffentlich nicht das, was man riecht) herunter gefallen. Bevor ich mit dem Zellstoff da war, hattest Du es aufgelesen und in Deinen Mund gesteckt.
Vati, es ist unerträglich.
Immerhin hast Du mich erkannt, kurze Freude. Du hast Dich wirklich gefreut. Vati, ich werde kommen und Dich besuchen. Nur kurz, länger hattest Du keine Freude an mir,wolltest, dass ich gehe. Wolltest zurück zu den anderen in den Aufenthaltsraum.
Ich weiß auch nicht, wie ich mir Dein Altern und unsere Beziehung in dieser Phase vorgestellt hatte. Wir hatten es immer schwer miteinander. Ich habe verdrängt, dass Du sterben könntest, bevor wir zueinander finden. Ich war sicher, eine Beziehung wird niemals möglich sein. Dass es aber so sein könnte,auf die Idee bin ich nicht einmal gekommen.
Und kurz vor Deinem endgültigen Abdriften konntest Du mir erstmals in Deinem Leben sagen, dass Du mich lieb hast.
Ich wünsche Dir, dass es okay ist, sowie es ist. Dass es nur für mich so schrecklich ist. Dass Du nicht so sehr leidest. Oder dass Du, wenn Du sehr leidest, einen Weg findest, Dich zu verabschieden.
Ich habe Dich auch lieb.
