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Erinnerungen an meine Großmutter

Nachtmond

Mitglied
Ich möchte hier nur einige Worte über meine Großmutter loswerden, die vor drei Monaten im Alter von 77 Jahren von uns gegangen ist. Vielleicht ist dies für den ein oder anderen interessant oder hilft selbst beim Trauern.

Viele Erinnerungen habe ich nicht mit ihr, dennoch war sie eine tolle Oma mit viel Humor. Der Grund der wenigen Erinnerungen ist ihre Krankheit. Seit ich sie kannte unterlag sie den Symptomen von Multipler Sklerose. Mein Vater sagte, sie würde viel mit uns unternehmen, wenn sie denn könnte. Trotzdem habe ich meine Oma geliebt.

Ich weiß nicht genau, wie lange es her ist, bestimmt über zehn Jahren. Damals konnte sie mit ihren Krücken noch laufen. Weit ausreissen konnte sie nicht, aber sie kam immerhin bis in ihren Garten. Es war immer eine Freude, zu Besuch zu fahren und sie auf der Sonnenschaukel oder im Wohnzimmer auf der Couch anzutreffen. Sie hat mir und meinen Geschwistern beim Planschen im Wasser zugesehen und lachend angekündigt, wenn jemand uns bedroht, schlägt sie ihn mit der Krücke.

Irgendwann wurde ihre Krankheit schlimmer. Wenn sie lief, ist sie oft gestürzt, immer wieder musste sie deswegen ins Krankenhaus. Zuhause kam sie gar nicht mehr aus dem Bett heraus, weil ihr die Fähigkeit dazu fehlte. Als einziger blieb ich immer bei ihr im Schlafzimmer sitzen und leistete ihr stundenlang Gesellschaft. Sie hat mir sehr viel aus ihrer Vergangenheit erzählt, bedauerlicher Weise kann ich mich an kaum etwas von ihren Erzählungen erinnern. Im Nachhinein frage ich mich, ob ich vielleicht nicht richtig zugehört habe.

Dann war es aber irgendwann soweit, dass Oma nicht mehr bei sich Zuhause leben konnte. Sie musste ins Altenheim. Zunächst landete sie in einem riesigen Gebäudekomplex, der mir unheimlich vorkam. Dort hätte sie die meisten Menschen, die mit ihr dort verweilten, niemals angetroffen. Ich bin froh, dass sie dann in ein besseres Altenheim in ihrer Heimatstadt gebracht wurde.

Von da an konnte man zusehen, wie es bergab ging. Oma zog sich dort gerne zurück und blieb für sich. Selten fanden wir sie in einem der Aufenthaltsräume auf. Sie wirkte immer deprimiert, aber man konnte ihr immer irgendwie ein Lächeln aufs Gesicht zaubern. Ich glaube aber, dass alleine die Anwesenheit ihrer Enkelkinder dazu ausgereicht hat. Ihr Wunsch war es angeblich, ihr Enkelkind kennenzulernen - nun hat sie uns gleich alle drei miterlebt. Eine festsitzende Erinnerung ist, als meine Oma zu mir mit einem Grinsen sagte: "Du bist ein hübsches Mädchen." Diese Aussage ist insofern witzig, weil ich männlich bin. Ich frage mich bis heute, ob sie dabei nur Spaß gemacht hat oder ihre Demenz doch schon so stark gewesen ist.

Die letzten Jahre wurde es schlimm. Es viel meiner Oma schwer, ihren Sohn und ihre Enkel zu erkennen. Ich glaube, manchmal hat sie gar nicht verstanden, wer wir überhaupt sind. Sie begann viel über ihren Tod zu reden und äußerte auch explizit den Wunsch, endlich zu sterben. Das wars. Sie hat lange genug gekämpft, um ihre Enkel kennen zu lernen. Wir sind (fast) alle drei erwachsen geworden. Wenn es nach mir ginge, hätte ich Oma gerne für immer bei mir gehabt, aber das wäre ihr gesundheitlich nicht zuzumuten gewesen. Wenn etwas vorgefallen ist, dachten wir oft: Jetzt ist es vorbei. Aber Oma kurierte sich immer wieder. Sie schien unsterblich zu sein.

Mitte August kam ich dann aber eines Tages nach Hause und mir wurde mitgeteilt, Oma ginge es wieder schlecht und diesmal sei es wohl das Ende. Das hatte ich nicht geglaubt, Oma hat sich immer wieder kuriert. Außerdem war es zu plötzlich. Wir wollten sie am Wochenende noch einmal besuchen fahren. Dazu kam es dann allerdings nicht, denn als ich am nächsten Tag von der Arbeit nach Hause kam, teilte mir mein Vater unter Tränen mit, dass sie gestorben sei.

Ich war nicht geschockt, auch habe ich nicht angefangen zu weinen. Ich habe immer damit gerechnet, dass dieser Tag kommen wird. Dann ging alles schnell, die Trauerfeier wurde geplant und ich nahm mir für eine Woche von der Arbeit frei, um das Ereignis zu verdauen. Auf der Trauerfeier habe ich meinen Großvater dann zum ersten Mal weinen sehen. Selbst er hat also doch Emotionen. Mir kamen dann auch die Tränen. Die Trauerfeier war etwas kurz: Der Pastor hat ein paar Verse aus der Bibel gesprochen und das wars. Vor dem Verlassen witzelte ich am Sarg dann, Oma solle nicht wieder fallen. Ich bin nicht religiös und glaube nicht an ein Leben danach, aber irgendwie hatte ich dann doch den Drang, als letzte Worte etwas Vernünftiges zu sagen. Als alle den Saal verlassen hatten, kehrte ich also zurück, um meine letzten Worte "Ich liebe dich" sein zu lassen.

Jetzt besuchen wir Oma regelmäßig auf dem Friedhof. Es gab keine Beerdigung, Oma wollte ein anonymes Grab. Wir wissen nicht die Stelle, an der ihre Urne begraben ist, allerdings haben wir uns ein Plätzchen zum Trauern eingerichtet. Dem Klischee nach redet man auf dem Friedhof mit dem Verstorbenen, aber dazu kann ich mich nicht überwinden.

Abschließend denke ich, dass ich meine Großmutter nicht gut genug gekannt habe. Von uns Geschwistern stand ich ihr mit Abstand am nächsten, aber denke immer wieder: Da ist irgendwie nicht viel. Klar, es gab nicht viel womit man gemeinsame Erinnerungen festmachen könnte. Ich mache mir auch einen besonderen Vorwurf: Mit einem Führerschein wäre es mir möglich gewesen, sie häufiger auch von selbst zu besuchen. Trotzdem habe ich mich erst nach ihrem Tod bei der Fahrschule angemeldet - und gehe jetzt auch nicht regelmäßig wegen meiner Arbeitszeiten hin.

Was ihr Tod für meine Zukunft bedeutet, weiß ich noch nicht. Ich bin absolut introvertiert und absolut schwer depressiv, wünsche mir selbst den Tod. Diese Seite kannte sie gar nicht von mir, ich habe ihr nie ein Wort gesagt. Vielleicht hätte ich das tun sollen? Dafür dass es mir so schlecht geht, bin ich mit ihrem Tod bisher aber gut klar gekommen. Ich hatte vor einigen Wochen erst eine Art zusammenbruch und war erst einmal mehrere Wochen vom Psychiater krankgeschrieben, ob es mit ihrem Tod zusammenhing weiß ich aber nicht. Durch ihren Tod fürchte ich mich aber viel mehr vor dem Verlust anderer Familienangehöriger - und ich weiß, auch diese Tage werden kommen. Meinen Großvater zu verlieren wird schon schwerer zu verkraften, ist er mit 79 doch noch topfit. Wie ich dessen Wohnung auflösen soll, wüsste ich auch nicht. Meine andere Großmutter zu verlieren würde mich wahrscheinlich in den Abgrund reißen, ihr stehe ich sehr nahe. Bis dahin ist es aber noch weit, sie ist noch nicht einmal in Rente. Von dem Tod meiner Eltern möchte ich gar nicht erst anfangen... ich bin in meiner derzeitigen Lebenslage absolut unfähig, alleine zurechtzukommen, was sollte ich ohne sie tun?

Omas Tod lässt mich mehr mit Angst, als mit Trauer zurück. Und mit dem Wunsch, sie noch einmal sehen zu dürfen.
 

Schlumbline

Neues Mitglied
Hallo,
ich kann es nachvollziehen, meine Oma ist als ich 17 war gestorben, das ist dieses Jahr 20 Jahre her und ich trauere immer noch.
Dein Text hat mich sehr berührt und mir kamen die Tränen. Ich wünschte meine Oma wäre auch noch bei mir und könnte mir mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Ich klammer mich an jede noch so kleine Erinnerung oder einen Gegenstand den ich von Ihr erhalten habe.
Ein Grab zum trauern kann ich nicht mehr begehen da es vor ein paar Jahren aufgelöst worden ist. Als es noch bestand, habe ich nie die Möglichkeit genutzt sie zu besuchen, und ich bereue dies zutiefst. Ich hoffe das sie mir das verziehen hat.
Ich habe ein Bild von ihr und meinen Opa aufgehängt, ich vermisse beide sehr und jeden Tag denke ich an die beiden. Oft muss ich aus dem nichts weinen, weil der Schmerz immer noch so gegenwärtig ist.
Ich wünsche Dir alles Gute und kümmere dich um deine verbleibenden Großeltern, die Zeit ist begrenzt, ich habe leider kein einziges Großelternteil mehr.

Alle Liebe
Schlumbline
 

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