Meine Eltern sind Anfang 60, aber beide nicht gesund und ich merke schon seit ein paar Monaten, dass sie wissen, dass sie bald sterben.
Ich hab zwar noch einen Bruder, aber meine Mutter hat ihn erfolgreich gegen mich aufgehetzt. Früher waren wir richtig dicke miteinander und jetzt haben wir gar keinen Kontakt mehr. Ich seh ihn nur 1-2x im Jahr, wenn wir bei meinen Eltern sind, z.B. wegen dem Geburtstag meines Vaters. Mit meiner Mutter will ich möglichst gar nichts zu tun haben.
Ich meinte komplett alleine. Es gibt niemanden, den ich aktuell als Freund bezeichnen würde. Ok, einen, aber der wohnt in Japan und da muss irgendwas passiert sein. Hab seit Juni nichts von ihm gehört. Da waren ja auch diese Überschwemmungen.
Ja, ich kenn mich ein bisschen mit Therapien usw. aus. Ich befass mich seit 20 Jahren mit Psychologie und hab auch eine Zeit als (spirituelle) Lebensberaterin gearbeitet. Als ich jung war, mit 17 oder so, hatte ich eine Therapie angefangen, um was Schlimmes zu verarbeiten. Das hab ich aber dann schnell wieder abgebrochen, weil die Therapeutin nicht die richtige war. Später hab ich es dann alleine aufgearbeitet.
Vor ein paar Jahren hab ich dann noch eine Verhaltenstherapie gemacht, weil ich von allen Seiten unter Druck gesetzt wurde, gebraucht hätte ich die aber nicht, weil ich schon so viel an mir gearbeitet hatte. Ich brauchte wohl einfach nur noch mal eine Erinnerung an das Gelernte. Die Therapeutin hat auch gesagt, wenn ich nicht schon Vorarbeit geleistet hätte, wären wir nicht so schnell fertig geworden. Verhaltenstherapien gehen i.d.R. nur 6 Monate, können aber bei Bedarf evtl. verlängert werden.
Wenn eine Therapie nicht funktioniert, kann das unterschiedliche Gründe haben. Vielleicht ist die Therapieform falsch oder es passt nicht mit dem Therapeuten oder man ist nicht wirklich bereit dazu. In einer Gesprächstherapie wird halt nur geredet. Bei einer Verhaltenstherapie gehts eher darum, Möglichkeiten zu entwickeln, sich in entsprechenden Situationen anders zu verhalten. Wenn du z.B. Probleme hast, Grenzen zu setzen, hilft der Therapeut dir dabei, es in Zukunft anders zu machen. Er kann dir natürlich nicht die Umsetzung abnehmen und ein Therapeut wird auch nie sagen: "Mach dies oder das!" Das darf er nicht. Er fragt dich dann z.B., wie du dich in der Situation besser fühlen würdest und wie es in der Praxis aussehen könnte. Man lernt dort auch, Situationen objektiv zu betrachten (Wer hat sich wie verhalten und warum? Hat das Verhalten des Gegenübers was mit mir persönlich zu tun? Usw.). Ein Beispiel von meiner Seite: Ich hatte damals große Probleme, einkaufen zu gehen. Hab mich immer verrückt gemacht, wenn ich an der Kasse stand, weil meine Mutter mir von kleinauf beigebracht hatte, an der Kasse muss alles schnell gehen, nichts fallen lassen, schnell bezahlen, schnell alles wieder in den Wagen usw. Als wäre man auf der Flucht. Meine Therapeutin hat mir dann verständlich gemacht, dass die anderen Kunden mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt sind UND dass ich als Kunde das Recht hab, wie jeder andere auch, ganz normal einzukaufen. Früher war ich sehr eingeschüchtert und heute unterhalte ich mich mit den Kassierern und Kunden. Da entsteht dann schon mal ein Gespräch zu dritt oder viert. Und durch die Coronasituation hab ich von vielen anderen gehört, dass man sich nicht so stressen soll, wenn man einkaufen geht und sie verstünden nicht, dass andere so einen Stress machen. Einmal wollte ich an der Kasse wen vorlassen und er hat dankend abgelehnt mit der Begründung, er hätte Zeit. Wir haben uns dann noch unterhalten bis wir bezahlen mussten und sich die Wege wieder getrennt haben. Ich hätte mich auch früher nie getraut zu fragen, wenn ich was suche. Heute hab ich damit kein Problem mehr, denn wenn ich nicht frage, schade ich mir damit selbst.
Ergotherapien hab ich damals viele Jahre gemacht. Ich war in einer Mal- und in einer Schauspielgruppe. Weiter gab es noch eine Sportgruppe, eine Kochgruppe und ich glaub, noch eine andere. Man kann bis zu 3 Termine pro Woche haben und wenn man reden will, nehmen sich die Therapeuten auch Zeit, nur eben nicht so viel, weil sie sich ja auch um die anderen kümmern müssen. Manchmal ergibt sich das, dass die Patienten hinterher noch zusammen einen Kaffee trinken gehen. Liegt natürlich immer an einem selbst, ob man sich anschließt oder nicht. Ist ja alles freiwillig.
Was ich oben erzählt habe, war nur ein kleiner Bruchteil meines Lebens. Ich bin in deiner Altersklasse und hab echt viel durchgemacht. Eigentlich zu viel für dieses Alter.
Ich kann verstehen, dass du das alles hinter dir lassen willst, aber es ist besser, es zuerst aufzuarbeiten, sonst wirst du immer wieder in irgendeiner Form damit konfrontiert. Das ist so eine Art kosmisches Gesetz. Weil, wenn mans nur verdrängt, ändert sich ja nichts, auch nicht die Verhaltensweisen, und andere Menschen merken intuitiv, mit wem sie was machen können. Natürlich ist es nicht so schön, sich das alles nochmal anzusehen, aber wenn mans richtig verarbeitet hat, gehts einem danach besser und dann kommt man in die Leichtigkeit, die du schon erwähntest. Sowas geht nicht von jetzt auf gleich, schon gar nicht, wenn sich so viel angesammelt hat, aber es ist nicht unmöglich und man hat ja Zeit. Mit Druck bremst man sich nur aus. Und sehr wichtig ist auch, wenn man daran gearbeitet hat, dass man sich danach belohnt! Das ist sehr sehr wichtig und lernt man auch in der Therapie. Und man lernt dort auch, auf sich zu schauen und nicht auf andere. Andere haben vielleicht auch viel durchgemacht, aber das heisst nicht, dass du dich nicht schlecht fühlen darfst. Meine Therapeutin hat mich auch immer wieder dazu gebracht, den Fokus auf mich zu lenken, wenn ich gesagt hab: "Aber andere haben auch das und das erlebt" oder "Andere kommen viel besser damit klar". Wenn man sich mit anderen vergleicht, endet das nie gut.
Was ich auch nochmal ganz klar sagen will: Du musst keine Therapie machen, du kannst es auch alleine. Aber in einer Therapie hast du Hilfe und ohne musst du erstmal selbst einen Weg finden. Da kann man sich auch leicht verzetteln. Du könntest auch erstmal ambulant wen aufsuchen und dann dort von deinen Baustellen erzählen und dass du nicht sicher bist bzgl. Therapie. Die können dir dann alle Fragen diesbezüglich beantworten. Wahrscheinlich besser, als wir hier im Forum.
Achso, was ich noch vergessen hatte: Es gibt auch noch eine Psychoanalyse. Da legt man sich auf die Couch, wie man das aus Filmen kennt. Bei den anderen Therapiearten macht man das nicht. Psychoanalysen dauern i.d.R. mehrere Jahre, werden oft mit anderen Therapieformen parallel dazu kombiniert.
Das mit dem Hier und Jetzt schaffen nur sehr wenige dauerhaft. Du kannst es aber immer wieder versuchen und wenn Gedanken aufkommen, diese einfach vorbeiziehen lassen, ohne sie zu bewerten oder dran hängenzubleiben. Das hilft dem Gehirn, auch mal abzuschalten, hat aber nichts mit Verarbeitung zu tun.
Ich hab mich erst vor ein paar Tagen hier angemeldet, aber seitdem gehts mir schon ein bisschen besser. Es tut mir auch immer gut, anderen zu helfen, sofern es nicht zu viel wird. Solltest du irgendwann beschliessen, dich hier anzumelden, könnten wir uns auch per PN austauschen oder chatten.
Sollte es mit der Meditation nicht sofort klappen, gib bitte nicht gleich auf! Viele haben anfangs Probleme, sich darauf einzulassen und abzuschalten. War bei mir auch so.