Freut mich für dich, dass du glücklicher Mensch bist.
Also wenn ich mich heute mit meiner religiösen Phase
vergleiche, als ich permanent versuchte, die Regeln ein-
zuhalten, um dann beim Letzten Gericht "gerettet" zu
werden oder möglichst viele andere von meinem "Glück"
zu überzeugen, ist der Unterschied schon beachtlich.
Aber es fehlt auch was. Ähnlich wie einem gesundeten
Alkoholiker sein Rausch fehlt, denke ich. Es wäre halt so
schön einfach und bequem, wenn alles Wichtige in einem
einzigen Buch stünde und die ganzen "guten Menschen"
in einer Gruppe versammelt wären.
Das Leben als Nicht-Religiöser ist schon anstrengend,
aber das Glück besteht ja nicht daraus, wenig Anstren-
gung (geistiger Art) zu haben.
Die offizielle Kirche ist von vornherein ein fehlerhaftes Konstrukt. Insofern denke ich das Du damit recht hast, das als eine "Rettung" zu sehen.
Der "Fehler im Konstrukt" lässt sich gut auf Echnaton
und Moses zurückführen, wie Jan Assmann in seinem
Buch "Die mosaische Unterscheidung" hervorragend
herausgearbeitet hat.
Bis Echnaton waren die Religionen eher wie ein Fußball-
verein: man liebte den eigenen und respektierte die
anderen. Bis der ägyptische Pharao dann anfing, seinen
Glauben an die Sonne (und seine Gottheit) als "allein wahr"
zu bezeichnen. Dann ging das Gemetzel los, weil ja auto-
matisch alle Andersgläubigen die Unwahrheit lehrten und
besser ausgemerzt werden sollten.
Moses, der das quasi live mitbekam, hat das übernommen
für das Judentum (auch da wurden ja in der Anfangszeit
massenhaft Ungläubige und Abtrünnige getötet) und wie
du schon geschrieben hast, ist ja auch das Christentum
(und später der Islam) eigentlich nur ein Versuch, das Ju-
dentum reformiert für die ganze Welt verfügbar zu ma-
chen.
Das Grundübel, der Glaube an die alleinige Richtigkeit
der eigenen Sache, wurde aber so gut wie nie beseitigt;
bis auf einige kleinere Sekten in den Religionen wie bei
den Aleviten. Die wirken aber nicht mehr so anziehend,
weil der starke Sicherheits- und Rauschfaktor wegfällt:
dass man es mit einer überaus wichtigen Sache zu tun
hat, plötzlich ganz viel "weiß", was andere (noch) nicht
wissen – und es so ziemlich bequem hat, was die Ausein-
andersetzung mit dem Leben betrifft.
Religion ist wie ein großes Kaufhaus, das vorgibt, dass
man alles darin kaufen könne*. Wenn man sich aber ein
bisschen auskennt in der Welt, weiß man, dass es auch
gute Fachgeschäfte, viele kleine Läden und auch das
gibt, was man selbst herstellen oder anbauen kann
* meist nur exklusiv für Mitglieder, denen dann untersagt oder madig gemacht wird, auch anderswo einzukaufen.