Ich hab keine vorurteile gegenüber einer Therapie aber ich hab schon einiges mitbekommen.
Ich muss gerade schmunzeln.
Dann nenne ich es halt Vorbehalte. Und es sind vielleicht dieselben Vorbehalte, wie ich sie vor 20 Jahren auch einmal hatte.
Ich bin damals nach einer Trennung etwas depressiv geworden, nichts ging mehr so richtig. Ich war antriebslos, interesselos. Für mich kam eine Therapie auch nicht in Frage. Ich hätte das Gefühl gehabt, damit den Weg eines normalen Menschen zu verlassen, irre zu sein, wie Du es nennst. Außerdem wollte ich auf keinen Fall, dass da jemand an mir herumbastelt. Ich hätte mich da auch nicht von einem Arzt, oder von irgendwelchen Forenbenutzern beirren lassen.
Ich habe den Schritt damals nur gewagt, weil eine Arbeitskollegin und Freundin von mir fast zeitgleich dasselbe Problem bekam. Und sich vorbehaltlos einen Therapeuten suchte. Wenn sie das macht, dann kann ich es doch auch einmal versuchen...
Streng logisch betrachtet ist es natürlich falsch, dass man irre wird, wenn man zu einem Therapeuten geht. Entweder man ist es, oder man ist es nicht. Das Bein ist auch nicht in dem Augenblick gebrochen, in dem man damit zum Arzt gehst.
Und Du bist halt melancholisch, oder antriebslos, oder leicht depressiv.
Tabletten bekommt man viel zu schnell verschrieben und ich bezweifelt das dass der richtig Weg ist.
Das mit den Medikamenten ist wirklich so eine Sache. Manchmal werden sie zu leichtfertig verschrieben, manchmal wird damit zu lange gezögert, und stattdessen jahrelang relativ erfolglos herumtherapiert.
Ist vielleicht so, als wenn Du mit Deinem 25 Jahre alten Auto in die Werkstatt fährst. Der eine Mechaniker schaut auf den Motor, und will ihn komplett austauschen. Der andere bringt ihn mit ein paar Teilen und Handgriffen wieder in Gang. Beide Entscheidungen können richtig oder falsch sein.
Sieh es doch einmal aus der Position Deines Hausarztes. Du gehst mit einer leichten Depression zu ihm und er hat pro Patientengespräch nur 20 Minuten Zeit. Er kann Dir ein paar Tipps geben. Und Dich ansonsten an einen Therapeuten verweisen. Wenn Du das ablehnst, kann er Dir noch ein leichtes Antidepressivum verschreiben. Viel mehr Möglichkeiten hat er nicht.
Wobei Du für mich auch nicht danach klingst, als würdest Du jetzt Medikamente benötigen. Psychologische Psychotherapeuten (also mit Psychologie-, aber ohne Medizinstudium) können übrigens gar keinen Medikamente verschreiben. Ärztliche Therapeuten (also Medizinstudium) können es wie Dein Hausarzt. Und Psychiater nutzen diese Möglichkeit tendentiell eher.
Behalte doch wenigstens einen Besuch bei einem ärztlichen Therapeuten im Hinterkopf, falls es nicht besser wird, und betrachte es dann als einen Besuch beim Facharzt.
Außerdem möchte ich das alleine schaffen. Ich hatte mir so Tipps wie von Günter erhofft. Oder das mir jemand sagt was er in seiner Therapie für „Hausaufgaben“bekommen hat.
Die Einstellung gefällt mir. Nur das mit den "Hausaufgaben", die ein Therapeut aufgeben kann, wirkt nicht nur dadurch, dass man sie macht, sondern auch dadurch, dass man mit ihm danach darüber spricht. Mit Therapeuten kann man sprechen, wie mit guten Freunden. Sie haben halt den Vorteil, dass sie bei bestimmten Problemen erfahren sind, und dass sie eine möglichst neutrale Position einnehmen.
Wobei entsprechend auch noch ein Tipp wäre, mehr mit Freunden zu sprechen, und mehr mit ihnen zu unternehmen. Sich etwas mitziehen zu lassen, um vielleicht dadurch wieder aus dem Loch herauszukommen. Wenn man leicht depressiv ist, ist man eher passiv, antriebslos, mag am Leben nicht mehr richtig teilhaben. Da sollte alles helfen können, was einen mitzieht, vielleicht Spaß oder Interesse wecken kann, neue Impulse bringt. Deshalb auch meine Tipps, irgendetwas körperliches zu machen, möglichst in Gruppen. Neue Menschen, neue Impulse, sich etwas anders, halt neu erleben, und eine Gruppe, die einen ein Stück mitziehen kann. Den ersten Schritt - sich etwas suchen und dorthingehen - den muss man dann selbst gehen.
Mir hat einmal das Verzeichnis der Volkshochschulkurse meiner Stadt neue Impulse gegeben. Ich habe es einfach durchgeblättert, und geschaut, was mich anspricht. Ich bin damals dann sogar gezielt in zwei Kurse gegangen, die mich neugierig gemacht haben, die ich aber zuerst aus Unsicherheit weggeschoben hatte.
Manche Menschen treiben auch Sport, um sich damit aus Gefühlstiefs herauszuziehen.
Das sollte jetzt kein Plädoyer für Therapeuten sein, Badbunny.
Günter