Hallo liebes Forum,
ich brauche – leider – mal wieder eure Hilfe.
Seit ich meinen letzten Beitrag hier geschrieben habe, ist schon einige Zeit vergangen. In dieser Zeit hat sich bei mir viel getan – zu viel, als dass ich euch hinreichend davon berichten könnte. Ich werde daher mein Bestes geben, diese Zeitspanne so kurz und so prägnant wie möglich zusammenzufassen.
Wer Zeit und Interesse daran hat, kann sich meinen damaligen Beitrag hier durchlesen. Im Nachhinein muss ich zwar viele meiner Aussagen revidieren, und ich bin schockiert, wie negativ, polarisiert und versteift meine Sicht auf die Dinge damals war, aber ihr findet dort auch eine ungefähre Schilderung meiner Vergangenheit – was im Hinblick auf mein aktuelles Verhalten zumindest dazu beitragen könnte, Licht ins Dunkel zu bringen.
Trotz eurer wundervollen und kraftspendenden Antworten damals konnte ich die darauffolgende Lebenskrise nicht abwenden. Ich habe mir selbst das Essen verweigert, habe zu rauchen begonnen und gelegentlich eine Überdosis Schmerztabletten genommen, um nichts mehr vom Leben zu spüren. Ich habe angefangen, mich zu ritzen und habe mehrmals versucht, mich umzubringen. Die Schnitte waren zwar nie lebensbedrohlich, die Suizidversuche nie wirklich ernst gemeint, aber all das hat an meiner Selbstsicherheit genagt, bis am Ende nur noch ein letzter Funke meiner Selbstachtung übrig war.
Ich habe mich meinem Vater anvertraut, habe dadurch aber nach und nach erfahren müssen, dass er sich nicht allzu sehr für mich zu interessieren scheint. Zusammen mit meiner Stiefmutter ist er in realitätsfernen Serien und ebenso realitätsfernen Verschwörungstheorien versunken und bekommt nichts mehr von seiner Außenwelt mit. Dadurch wurde mein Verhältnis zu ihnen auf das Notwendigste reduziert – Finanzielles und Organisatorisches wird in Stichpunkten kommuniziert, ansonsten leben wir in weit voneinander entfernten Parallelwelten.
Ich habe mich meinen zwei engsten Freunden anvertraut, und durch sie konnte ich die Zeit zumindest physikalisch überstehen. Ich habe unglaublich viel ihrer Zeit und ihrer Nerven beansprucht, doch sie waren stets da, wenn es brenzlig wurde. Haben mir gewissermaßen das Leben gerettet.
Dann sind die beiden eine Beziehung miteinander eingegangen und waren plötzlich weg – und ich fühlte mich hintergangen und verlassen. Ich habe innerhalb von einer halben Woche eine komplette Packung Schmerztabletten genommen. In diesen drei Tagen keinen einzigen Bissen gegessen. Mir weit mehr und viel tiefere Schnitte zugefügt als die gesamte Zeit davor.
Ich vermute, diese Grenzerfahrung war es, die mich letztendlich gerettet hat. Denn dann ist meiner Ansicht nach das Unglaubliche geschehen. Im Sommer letzten Jahres hat der allerletzte Funke, der von meiner Kraft noch übrig war ausgereicht, um mein Feuer wieder zu entfachen.
Ich habe mich mit positiveren Denkweisen befasst. Habe aufgehört, mich mit mir selbst zu beschäftigen, bin wieder aus dem Haus gegangen. Habe erst lange Spaziergänge durch die Natur gemacht, und habe mich dann sogar wieder unter die Leute gewagt. Neue Freunde kennengelernt, und so weiter und so fort.
Und ich habe mich wieder meinem Verein (Hobbysport) zugewandt. Wo ich auch meinen jetzigen Freund kennengelernt habe.
Er ist mein Trainer, obgleich wir nur fünf Jahre auseinanderliegen. Er hat mich nach einem Treffen gefragt, und ich war zuerst vollkommen überrumpelt. Habe so etwas nicht kommen sehen. Aber ich bin dennoch darauf eingegangen. Also haben wir uns getroffen, und nochmals getroffen, bis er den ersten Schritt getan und mir schriftlich seine Gefühle dargelegt hat. Dabei hat stets er die Initiative ergriffen – denn obwohl es schwer war, seine Schüchternheit zu überbieten, hat meine Unsicherheit triumphiert und mich wie gelähmt.
Dann hat er mich zu sich eingeladen (er wohnt noch bei seinen Eltern). An dem Tag konnte ich ihm endlich aus eigener Kraft näher kommen, und wir haben uns zum ersten Mal geküsst.
Ich sollte an dieser Stelle vielleicht anmerken, dass ich aufgrund von meiner Unsicherheit und meinem fehlenden Selbstbewusstsein ein sehr anhänglicher Mensch sein kann. Und als ich mich ihm an diesem Tag gewissermaßen geöffnet habe, ist auch ihm das aufgefallen.
Er hat gemerkt, wie sehr ich mich an ihn klammerte – wo er doch selbst jemand ist, der eine Schulter zum Anlehnen brauch. Auch er war unsicher – und hatte mit dieser Art von Nähe obendrein sogar noch weniger Erfahrung als ich (ich hatte bereits eine, wenn auch sehr kurzfristige Beziehung hinter mir). Ihn hat mein Verhalten und die gesamte Situation daher maßlos überfordert und er hatte einen Zusammenbruch.
Als er mir davon schrieb, stand ich erst einmal unter Schock. Ich war mir sicher, meine psychischen Probleme von damals waren eine Illusion und ich hätte sie mir so lange selbst eingeredet, bis sie tatsächlich da waren. Doch wurde mir, angefangen mit diesem Ereignis, nach und nach bewusst, dass ich selbst dann diese Züge hatte, wenn ich mir nichts einredete, gar nicht erst über mich nachdachte.
Ich war vor nicht allzu langer Zeit fest davon überzeugt, an einer psychischen Störung zu leiden. Alles Einbildung, dachte ich. Und nun war die Wirklichkeit, wie sie mir von anderen bestätigt wurde, doch gar nicht so weit davon entfernt.
Aber das wurde mir erst im weiteren Verlauf unserer Beziehung vollends bewusst. Ich wollte es immer noch verdrängen, wollte die Tatsache, dass ich Hilfe benötigte, immer noch nicht wahr haben.
Nach dieser ersten Ernüchterung brauchten wir beide für eine Weile Zeit für uns, aber wir haben es wieder miteinander versucht, haben es diesmal ganz langsam angehen lassen. Und dieses Mal hat es funktioniert.
Die erste Zeit war wunderschön. Als wir noch frisch verliebt waren und es kaum erwarten konnten, wieder zusammenzukommen. Ich bin aus mehreren Gründen (wir hatten nur eine kleine Wohnung, vor allem aber ist mein Verhältnis zu meinem Vater und meiner Stiefmutter stark angeschlagen) immer zu ihm gefahren, und mittlerweile ist mir seine Familie so sehr ans Herz gewachsen, dass ich sie ohne weiteres als meine eigene bezeichnen wollen würde (obwohl ich den Begriff „Familie“ mit vielen traumatischen Ereignissen verbinde). Das wäre das erste Mal in meinem Leben, dass ich eine Familie, die zum Greifen nah ist, auch als selbige empfinde.
Doch mit der Zeit sind die Schmetterlinge im Bauch verflogen, und mir fiel zunehmend auf, dass wir einem einfachen Prinzip zu folgen scheinen: in den Bereichen, in denen Gegensätze auch Hindernisse darstellen können sind wir das genaue Gegenteil voneinander, und dort, wo Gleiches sich nicht miteinander zu vertragen scheint, da sind wir wie ein und dieselbe Person.
Ich muss zugeben, ich übertreibe mit dieser Aussage maßlos – aber so fühlt es sich zumindest an. Und daher hatte ich auch immer das Gefühl, für unsere Beziehung kämpfen zu müssen. Tatsächlich mussten wir beide hart an uns arbeiten, damit es funktioniert.
In den letzten zwei Wochen war ich fast durchgängig bei ihm. Er muss unter der Woche arbeiten und kommt erst spät heim, sodass kaum noch Zeit für uns blieb. Das hat mich auf Dauer einfach fertig gemacht, weil ich mich von ihm so stark abhängig gemacht habe. Also habe ich unterschwellig angefangen, seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, wie ich es damals schon so oft bei meinen Freunden getan habe.
Ich wurde noch launischer als ich ohnehin schon bin. Er wollte mich immer wieder aufheitern (und hat es auch erstaunlich oft geschafft), aber ich wollte mich ja nicht aufheitern lassen. Ich wollte seine Aufmerksamkeit, seine Nähe.
Ich hätte es so gerne abgeschaltet, ärgere mich im Nachhinein so sehr über meine eigene Schwäche – aber in diesen Momenten ist einfach der Verstand mit mir durchgegangen, anders kann ich es nicht beschreiben. Ich habe selbst währenddessen gemerkt, dass ich mich wieder wie ein Kleinkind verhalte, nur dagegen tun konnte ich nichts.
Nun hat er gestern wieder einen Zusammenbruch gehabt. Er hat gesagt, dass er von einem stressigen Tag heimkomme und ich, anstatt ihn zu beruhigen und auf andere Gedanken zu bringen (was ich so weit es mir möglich war versucht habe!), für ihn ein zusätzlicher Stressfaktor geworden wäre. Und dass er merke, wie er immer weiter daran kaputt gehe.
Wir haben uns darauf geeinigt, dass ich für den nächsten Zeitraum erst einmal heimfahre, um ihm Zeit zu geben. Zeit für sich selbst, und Zeit zum Nachdenken, ob das wirklich eine Zukunft hat.
Ich habe ihm vor einiger Zeit versprochen, zu kämpfen – habe ihm zugesichert, mir nach meinem Abitur (also sehr bald) einen Psychologen zu suchen, um mich mit mir selbst ins Reine zu bringen. Er hat mir daraufhin gesagt, er würde Geduld haben und mein Verhalten tolerieren, bis der ganze Schulstress vorbei ist. Doch ich wurde ihm so viel, dass er sein Wort nicht halten konnte, und das macht mich traurig. Nicht, weil er sein Wort nicht halten konnte, sondern weil ich so fordernd gewesen sein muss, dass ich ihm keine andere Wahl ließ. Und ich habe es die ganze Zeit über noch nicht einmal gemerkt.
Ich kann ihn so gut verstehen. Hätte mich am liebsten dafür geschlagen, dass ich mein Verhalten immer noch nicht auf die Reihe kriege. Immer noch so abhängig von anderen bin. Ich hätte ihn am liebsten angeschrien, dass ich fest an unsere Zukunft glaube – weil ich weiß, dass ich mich ändern kann, mit etwas Hilfe von außen. Und das habe ich vor, ich bin so nah dran.
Ich habe Angst, dass er mir keine Chance gibt, es zu beweisen.
- Plotia
ich brauche – leider – mal wieder eure Hilfe.
Seit ich meinen letzten Beitrag hier geschrieben habe, ist schon einige Zeit vergangen. In dieser Zeit hat sich bei mir viel getan – zu viel, als dass ich euch hinreichend davon berichten könnte. Ich werde daher mein Bestes geben, diese Zeitspanne so kurz und so prägnant wie möglich zusammenzufassen.
Wer Zeit und Interesse daran hat, kann sich meinen damaligen Beitrag hier durchlesen. Im Nachhinein muss ich zwar viele meiner Aussagen revidieren, und ich bin schockiert, wie negativ, polarisiert und versteift meine Sicht auf die Dinge damals war, aber ihr findet dort auch eine ungefähre Schilderung meiner Vergangenheit – was im Hinblick auf mein aktuelles Verhalten zumindest dazu beitragen könnte, Licht ins Dunkel zu bringen.
Trotz eurer wundervollen und kraftspendenden Antworten damals konnte ich die darauffolgende Lebenskrise nicht abwenden. Ich habe mir selbst das Essen verweigert, habe zu rauchen begonnen und gelegentlich eine Überdosis Schmerztabletten genommen, um nichts mehr vom Leben zu spüren. Ich habe angefangen, mich zu ritzen und habe mehrmals versucht, mich umzubringen. Die Schnitte waren zwar nie lebensbedrohlich, die Suizidversuche nie wirklich ernst gemeint, aber all das hat an meiner Selbstsicherheit genagt, bis am Ende nur noch ein letzter Funke meiner Selbstachtung übrig war.
Ich habe mich meinem Vater anvertraut, habe dadurch aber nach und nach erfahren müssen, dass er sich nicht allzu sehr für mich zu interessieren scheint. Zusammen mit meiner Stiefmutter ist er in realitätsfernen Serien und ebenso realitätsfernen Verschwörungstheorien versunken und bekommt nichts mehr von seiner Außenwelt mit. Dadurch wurde mein Verhältnis zu ihnen auf das Notwendigste reduziert – Finanzielles und Organisatorisches wird in Stichpunkten kommuniziert, ansonsten leben wir in weit voneinander entfernten Parallelwelten.
Ich habe mich meinen zwei engsten Freunden anvertraut, und durch sie konnte ich die Zeit zumindest physikalisch überstehen. Ich habe unglaublich viel ihrer Zeit und ihrer Nerven beansprucht, doch sie waren stets da, wenn es brenzlig wurde. Haben mir gewissermaßen das Leben gerettet.
Dann sind die beiden eine Beziehung miteinander eingegangen und waren plötzlich weg – und ich fühlte mich hintergangen und verlassen. Ich habe innerhalb von einer halben Woche eine komplette Packung Schmerztabletten genommen. In diesen drei Tagen keinen einzigen Bissen gegessen. Mir weit mehr und viel tiefere Schnitte zugefügt als die gesamte Zeit davor.
Ich vermute, diese Grenzerfahrung war es, die mich letztendlich gerettet hat. Denn dann ist meiner Ansicht nach das Unglaubliche geschehen. Im Sommer letzten Jahres hat der allerletzte Funke, der von meiner Kraft noch übrig war ausgereicht, um mein Feuer wieder zu entfachen.
Ich habe mich mit positiveren Denkweisen befasst. Habe aufgehört, mich mit mir selbst zu beschäftigen, bin wieder aus dem Haus gegangen. Habe erst lange Spaziergänge durch die Natur gemacht, und habe mich dann sogar wieder unter die Leute gewagt. Neue Freunde kennengelernt, und so weiter und so fort.
Und ich habe mich wieder meinem Verein (Hobbysport) zugewandt. Wo ich auch meinen jetzigen Freund kennengelernt habe.
Er ist mein Trainer, obgleich wir nur fünf Jahre auseinanderliegen. Er hat mich nach einem Treffen gefragt, und ich war zuerst vollkommen überrumpelt. Habe so etwas nicht kommen sehen. Aber ich bin dennoch darauf eingegangen. Also haben wir uns getroffen, und nochmals getroffen, bis er den ersten Schritt getan und mir schriftlich seine Gefühle dargelegt hat. Dabei hat stets er die Initiative ergriffen – denn obwohl es schwer war, seine Schüchternheit zu überbieten, hat meine Unsicherheit triumphiert und mich wie gelähmt.
Dann hat er mich zu sich eingeladen (er wohnt noch bei seinen Eltern). An dem Tag konnte ich ihm endlich aus eigener Kraft näher kommen, und wir haben uns zum ersten Mal geküsst.
Ich sollte an dieser Stelle vielleicht anmerken, dass ich aufgrund von meiner Unsicherheit und meinem fehlenden Selbstbewusstsein ein sehr anhänglicher Mensch sein kann. Und als ich mich ihm an diesem Tag gewissermaßen geöffnet habe, ist auch ihm das aufgefallen.
Er hat gemerkt, wie sehr ich mich an ihn klammerte – wo er doch selbst jemand ist, der eine Schulter zum Anlehnen brauch. Auch er war unsicher – und hatte mit dieser Art von Nähe obendrein sogar noch weniger Erfahrung als ich (ich hatte bereits eine, wenn auch sehr kurzfristige Beziehung hinter mir). Ihn hat mein Verhalten und die gesamte Situation daher maßlos überfordert und er hatte einen Zusammenbruch.
Als er mir davon schrieb, stand ich erst einmal unter Schock. Ich war mir sicher, meine psychischen Probleme von damals waren eine Illusion und ich hätte sie mir so lange selbst eingeredet, bis sie tatsächlich da waren. Doch wurde mir, angefangen mit diesem Ereignis, nach und nach bewusst, dass ich selbst dann diese Züge hatte, wenn ich mir nichts einredete, gar nicht erst über mich nachdachte.
Ich war vor nicht allzu langer Zeit fest davon überzeugt, an einer psychischen Störung zu leiden. Alles Einbildung, dachte ich. Und nun war die Wirklichkeit, wie sie mir von anderen bestätigt wurde, doch gar nicht so weit davon entfernt.
Aber das wurde mir erst im weiteren Verlauf unserer Beziehung vollends bewusst. Ich wollte es immer noch verdrängen, wollte die Tatsache, dass ich Hilfe benötigte, immer noch nicht wahr haben.
Nach dieser ersten Ernüchterung brauchten wir beide für eine Weile Zeit für uns, aber wir haben es wieder miteinander versucht, haben es diesmal ganz langsam angehen lassen. Und dieses Mal hat es funktioniert.
Die erste Zeit war wunderschön. Als wir noch frisch verliebt waren und es kaum erwarten konnten, wieder zusammenzukommen. Ich bin aus mehreren Gründen (wir hatten nur eine kleine Wohnung, vor allem aber ist mein Verhältnis zu meinem Vater und meiner Stiefmutter stark angeschlagen) immer zu ihm gefahren, und mittlerweile ist mir seine Familie so sehr ans Herz gewachsen, dass ich sie ohne weiteres als meine eigene bezeichnen wollen würde (obwohl ich den Begriff „Familie“ mit vielen traumatischen Ereignissen verbinde). Das wäre das erste Mal in meinem Leben, dass ich eine Familie, die zum Greifen nah ist, auch als selbige empfinde.
Doch mit der Zeit sind die Schmetterlinge im Bauch verflogen, und mir fiel zunehmend auf, dass wir einem einfachen Prinzip zu folgen scheinen: in den Bereichen, in denen Gegensätze auch Hindernisse darstellen können sind wir das genaue Gegenteil voneinander, und dort, wo Gleiches sich nicht miteinander zu vertragen scheint, da sind wir wie ein und dieselbe Person.
Ich muss zugeben, ich übertreibe mit dieser Aussage maßlos – aber so fühlt es sich zumindest an. Und daher hatte ich auch immer das Gefühl, für unsere Beziehung kämpfen zu müssen. Tatsächlich mussten wir beide hart an uns arbeiten, damit es funktioniert.
In den letzten zwei Wochen war ich fast durchgängig bei ihm. Er muss unter der Woche arbeiten und kommt erst spät heim, sodass kaum noch Zeit für uns blieb. Das hat mich auf Dauer einfach fertig gemacht, weil ich mich von ihm so stark abhängig gemacht habe. Also habe ich unterschwellig angefangen, seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, wie ich es damals schon so oft bei meinen Freunden getan habe.
Ich wurde noch launischer als ich ohnehin schon bin. Er wollte mich immer wieder aufheitern (und hat es auch erstaunlich oft geschafft), aber ich wollte mich ja nicht aufheitern lassen. Ich wollte seine Aufmerksamkeit, seine Nähe.
Ich hätte es so gerne abgeschaltet, ärgere mich im Nachhinein so sehr über meine eigene Schwäche – aber in diesen Momenten ist einfach der Verstand mit mir durchgegangen, anders kann ich es nicht beschreiben. Ich habe selbst währenddessen gemerkt, dass ich mich wieder wie ein Kleinkind verhalte, nur dagegen tun konnte ich nichts.
Nun hat er gestern wieder einen Zusammenbruch gehabt. Er hat gesagt, dass er von einem stressigen Tag heimkomme und ich, anstatt ihn zu beruhigen und auf andere Gedanken zu bringen (was ich so weit es mir möglich war versucht habe!), für ihn ein zusätzlicher Stressfaktor geworden wäre. Und dass er merke, wie er immer weiter daran kaputt gehe.
Wir haben uns darauf geeinigt, dass ich für den nächsten Zeitraum erst einmal heimfahre, um ihm Zeit zu geben. Zeit für sich selbst, und Zeit zum Nachdenken, ob das wirklich eine Zukunft hat.
Ich habe ihm vor einiger Zeit versprochen, zu kämpfen – habe ihm zugesichert, mir nach meinem Abitur (also sehr bald) einen Psychologen zu suchen, um mich mit mir selbst ins Reine zu bringen. Er hat mir daraufhin gesagt, er würde Geduld haben und mein Verhalten tolerieren, bis der ganze Schulstress vorbei ist. Doch ich wurde ihm so viel, dass er sein Wort nicht halten konnte, und das macht mich traurig. Nicht, weil er sein Wort nicht halten konnte, sondern weil ich so fordernd gewesen sein muss, dass ich ihm keine andere Wahl ließ. Und ich habe es die ganze Zeit über noch nicht einmal gemerkt.
Ich kann ihn so gut verstehen. Hätte mich am liebsten dafür geschlagen, dass ich mein Verhalten immer noch nicht auf die Reihe kriege. Immer noch so abhängig von anderen bin. Ich hätte ihn am liebsten angeschrien, dass ich fest an unsere Zukunft glaube – weil ich weiß, dass ich mich ändern kann, mit etwas Hilfe von außen. Und das habe ich vor, ich bin so nah dran.
Ich habe Angst, dass er mir keine Chance gibt, es zu beweisen.
- Plotia