Liebes Forum,
ich habe letzte Woche im Zug eine Situation beobachtet, von der ich im Rückblick denke, dass ich da auf irgendeine Weise hätte einschreiten müssen. Ich habe es nicht gemacht, weil ich mich in dem Moment gelähmt gefühlt habe. Ich wusste nicht, wie. Vielleicht habt ihr Ideen, wie ich mich in einer solchen Situation, sollte sie mir nochmal passieren, besser verhalten kann. Für das betreffende Kind aus der letzten Situation kann ich vermutlich nichts mehr tun, weil ich es nicht kenne.
Ich war in einem Regionalzug unterwegs und ein paar Halte vor dem Ort, an dem ich aussteigen wollte, bekam ich mit, dass ein Kind - vielleicht drei oder vier Jahre -, das mit seinen Eltern unterwegs war, sehr unruhig war, viel geweint hat und sich nicht durch die Versuche der Eltern beruhigen ließ. Das Kind und die Eltern befanden sich ein paar Reihen vor mir. Es war ein ziemlich heißer Tag. Zunächst fand ich das auch nicht bemerkenswert, Kinder weinen häufiger im Zug, vor allem in dem Alter. Etwas irritiert war ich haber schon, weil der Vater, der das Kind auf dem Arm trug, immer wieder in einem etwas monotonen Klang zu dem Kind sagte: "Sei ruhig, sei ruhig." Es hat mich ein bisschen gewundert, dass dem Kind nichts anderes, zum Beispiel zur Ablenkung, angeboten wurde. Trinken haben sie angeboten, aber davon abgesehen nichts. Aber ok, Eltern dürfen auch mal überfragt sein. War alles so weit noch ok.
Mir wurde dann unwohler, als der Vater das Kind gegen seinen Willen im Kinderwagen angeschnallt hat. Aber auch da dachte ich noch, dass es Situationen gibt, wo ich es nachvollziehen kann. Wenn das Kind schon minutenlang ins Ohr schreit und man mit den Nerven fast am Ende ist und mal kurz Abstand braucht oder auch, wenn die Hoffnung besteht, dass es im Kinderwagen aufhört zu weinen, weil das vielleicht früher schon funktioniert hat. Trotzdem tat mir das Kind leid und ich habe mich auch gefragt, warum der Vater, wenn ihn das schreiende Kind auf dem Arm stresst, nicht mal an die Mutter übergibt, die die ganze Zeit auch eher wenig beteiligt (bis auf das Angebot des Trinkens) daneben stand.
Der Vater hat dann das Kind weiter zu beruhigen versucht, z. B. in dem er darauf hinwies, dass der nächste Halt der ist, an dem sie aussteigen werden. Es brachte alles erstmal nichts, das Kind weinte noch stärker als zuvor. Der Vater war dann wohl zunehmend überfordert, denn er sagte schließlich zu dem Kind: "Halt den Rand." Hatte nicht die gewünschte Wirkung...auch das hätte ich noch als (sehr fiesen) Ausrutscher werten können, das Nächste aber nicht mehr. Als das Kind weiterhin schrie, sagte der Vater zu ihm: "Wenn du jetzt nicht ruhig bist, verhaue ich dir vor versammelter Mannschaft den Hintern."
Die "versammelte Mannschaft", das waren die drum herum sitzenden, wohl weniger ich, weil ich wie gesagt ein paar Reihen weg saß, sondern die Leute in deren unmittelbarer Nähe. Von denen hat dazu niemand was gesagt. Ich wurde in dem Moment so wütend, dass ich meinen Laptop und meine anderen Sachen eingepackt habe, dann eigentlich aufstehen und hingehen wollte. Wollte...in dem Moment, in dem ich hätte aufstehen müssen, wurde mir bewusst, dass ich zwar so richtig wütend war, aber gar nicht wusste, wass ich sagen sollte. Ich hatte den wirren Gedanken im Kopf, dass ich mir nicht sicher bin, was eigentlich alles als psychische Gewalt zählt. Ich wollte irgendwie wissen, was die Rechtslage ist, um ihm das um die Ohren zu hauen. Blöder Gedanke, auch ohne Gesetzestexte lässt sich in so einer Situation argumentieren. Aber ich wusste nicht wie, in dem Moment.
Ach ja, gruslig war auch, dass das weinende Kind sofort, nachdem diese Drohung ausgeprochen wurde, mit dem Weinen aufgehört hat. Ich vermute also, dass es solche Drohungen schon häufiger erlebt hat und es nicht nur bei Drohungen geblieben ist. Die Kinder, die ich kenne, und die keine Gewalt erfahren, hätten da wahrscheinlich noch mehr gebrüllt, weil sie das verwirrt und verängstigt hätte. Angst hatte das Kind im Zug sicher auch, aber vermutlich auch die Gewissheit, dass die Drohung ernst gemeint ist.
Ich hatte dann auch nicht mehr so lange Zeit, um mir was zu überlegen, da der Endhalt der Familie dann erreicht war und sie ausgestiegen sind. Der Moment, in dem ich hätte handeln können, war verstrichen. Das einzige, was ich "gemacht" habe, war, einen irritierten und wütenden Blick (wie viel davon durch Mundschutz erkennbar war, weiß ich nicht) in die Richtung der Familie zu schicken, aber den hat nur die Frau gesehen. Und wer weiß, was die von den Aggressionen des Mannes zu Hause abbekommt. Sie war wie gesagt sehr passiv in der ganzen Situation.
Im Nachhinein ist mir alles mögliche eingefallen, was ich hätte sagen könne. Alles eher aggressiv. Zum Beispiel hätte ich dem Typen sagen sollen, dass er seinem Kind nicht vermitteln sollte, es müsse sich irgendwie schämen, wenn er es schlägt - der einzige, der sich da schämen müsste, wäre er selbst. Ob sowas gut gewesen wäre, weiß ich nicht. Wahrscheinlich ist es in einer solchen Situation besser, ruhig zu bleiben. Ich habe in den letzten Tagen auch überlegt, ob ich bei irgendeiner Beratungsstelle anrufen sollte und mein Problem dort mal schildern. Ich hab nichts gefunden, was so hundertprozentig zu meinem Problem passt. Vielleicht ruf ich mal beim Elternfelefon von der "Nummer gegen Kummer" an, auch wenn ich da jetzt nicht als Elternteil involviert war.
Vielleicht habt ihr aber noch andere Ideen? Oder so eine Situation mal erlebt und da irgendwie sinnvoll reagiert? Ich fahre regelmäßig mit dem Zug und sehe häufiger mal gestresste Eltern. Niemand von denen war bisher so drauf wie dieser Vater, aber dass sowas mal wieder passiert, ist nicht so unwahrscheinlich. Vielleicht sehe ich ja sogar die gleiche Famiile nochmal.
Ich wäre über Tipps oder eigene Erfahrungen dankbar...oder auch für Hinweise zu telefonischen Beratungsstellen.
Danke fürs Lesen!
Jo
ich habe letzte Woche im Zug eine Situation beobachtet, von der ich im Rückblick denke, dass ich da auf irgendeine Weise hätte einschreiten müssen. Ich habe es nicht gemacht, weil ich mich in dem Moment gelähmt gefühlt habe. Ich wusste nicht, wie. Vielleicht habt ihr Ideen, wie ich mich in einer solchen Situation, sollte sie mir nochmal passieren, besser verhalten kann. Für das betreffende Kind aus der letzten Situation kann ich vermutlich nichts mehr tun, weil ich es nicht kenne.
Ich war in einem Regionalzug unterwegs und ein paar Halte vor dem Ort, an dem ich aussteigen wollte, bekam ich mit, dass ein Kind - vielleicht drei oder vier Jahre -, das mit seinen Eltern unterwegs war, sehr unruhig war, viel geweint hat und sich nicht durch die Versuche der Eltern beruhigen ließ. Das Kind und die Eltern befanden sich ein paar Reihen vor mir. Es war ein ziemlich heißer Tag. Zunächst fand ich das auch nicht bemerkenswert, Kinder weinen häufiger im Zug, vor allem in dem Alter. Etwas irritiert war ich haber schon, weil der Vater, der das Kind auf dem Arm trug, immer wieder in einem etwas monotonen Klang zu dem Kind sagte: "Sei ruhig, sei ruhig." Es hat mich ein bisschen gewundert, dass dem Kind nichts anderes, zum Beispiel zur Ablenkung, angeboten wurde. Trinken haben sie angeboten, aber davon abgesehen nichts. Aber ok, Eltern dürfen auch mal überfragt sein. War alles so weit noch ok.
Mir wurde dann unwohler, als der Vater das Kind gegen seinen Willen im Kinderwagen angeschnallt hat. Aber auch da dachte ich noch, dass es Situationen gibt, wo ich es nachvollziehen kann. Wenn das Kind schon minutenlang ins Ohr schreit und man mit den Nerven fast am Ende ist und mal kurz Abstand braucht oder auch, wenn die Hoffnung besteht, dass es im Kinderwagen aufhört zu weinen, weil das vielleicht früher schon funktioniert hat. Trotzdem tat mir das Kind leid und ich habe mich auch gefragt, warum der Vater, wenn ihn das schreiende Kind auf dem Arm stresst, nicht mal an die Mutter übergibt, die die ganze Zeit auch eher wenig beteiligt (bis auf das Angebot des Trinkens) daneben stand.
Der Vater hat dann das Kind weiter zu beruhigen versucht, z. B. in dem er darauf hinwies, dass der nächste Halt der ist, an dem sie aussteigen werden. Es brachte alles erstmal nichts, das Kind weinte noch stärker als zuvor. Der Vater war dann wohl zunehmend überfordert, denn er sagte schließlich zu dem Kind: "Halt den Rand." Hatte nicht die gewünschte Wirkung...auch das hätte ich noch als (sehr fiesen) Ausrutscher werten können, das Nächste aber nicht mehr. Als das Kind weiterhin schrie, sagte der Vater zu ihm: "Wenn du jetzt nicht ruhig bist, verhaue ich dir vor versammelter Mannschaft den Hintern."
Die "versammelte Mannschaft", das waren die drum herum sitzenden, wohl weniger ich, weil ich wie gesagt ein paar Reihen weg saß, sondern die Leute in deren unmittelbarer Nähe. Von denen hat dazu niemand was gesagt. Ich wurde in dem Moment so wütend, dass ich meinen Laptop und meine anderen Sachen eingepackt habe, dann eigentlich aufstehen und hingehen wollte. Wollte...in dem Moment, in dem ich hätte aufstehen müssen, wurde mir bewusst, dass ich zwar so richtig wütend war, aber gar nicht wusste, wass ich sagen sollte. Ich hatte den wirren Gedanken im Kopf, dass ich mir nicht sicher bin, was eigentlich alles als psychische Gewalt zählt. Ich wollte irgendwie wissen, was die Rechtslage ist, um ihm das um die Ohren zu hauen. Blöder Gedanke, auch ohne Gesetzestexte lässt sich in so einer Situation argumentieren. Aber ich wusste nicht wie, in dem Moment.
Ach ja, gruslig war auch, dass das weinende Kind sofort, nachdem diese Drohung ausgeprochen wurde, mit dem Weinen aufgehört hat. Ich vermute also, dass es solche Drohungen schon häufiger erlebt hat und es nicht nur bei Drohungen geblieben ist. Die Kinder, die ich kenne, und die keine Gewalt erfahren, hätten da wahrscheinlich noch mehr gebrüllt, weil sie das verwirrt und verängstigt hätte. Angst hatte das Kind im Zug sicher auch, aber vermutlich auch die Gewissheit, dass die Drohung ernst gemeint ist.
Ich hatte dann auch nicht mehr so lange Zeit, um mir was zu überlegen, da der Endhalt der Familie dann erreicht war und sie ausgestiegen sind. Der Moment, in dem ich hätte handeln können, war verstrichen. Das einzige, was ich "gemacht" habe, war, einen irritierten und wütenden Blick (wie viel davon durch Mundschutz erkennbar war, weiß ich nicht) in die Richtung der Familie zu schicken, aber den hat nur die Frau gesehen. Und wer weiß, was die von den Aggressionen des Mannes zu Hause abbekommt. Sie war wie gesagt sehr passiv in der ganzen Situation.
Im Nachhinein ist mir alles mögliche eingefallen, was ich hätte sagen könne. Alles eher aggressiv. Zum Beispiel hätte ich dem Typen sagen sollen, dass er seinem Kind nicht vermitteln sollte, es müsse sich irgendwie schämen, wenn er es schlägt - der einzige, der sich da schämen müsste, wäre er selbst. Ob sowas gut gewesen wäre, weiß ich nicht. Wahrscheinlich ist es in einer solchen Situation besser, ruhig zu bleiben. Ich habe in den letzten Tagen auch überlegt, ob ich bei irgendeiner Beratungsstelle anrufen sollte und mein Problem dort mal schildern. Ich hab nichts gefunden, was so hundertprozentig zu meinem Problem passt. Vielleicht ruf ich mal beim Elternfelefon von der "Nummer gegen Kummer" an, auch wenn ich da jetzt nicht als Elternteil involviert war.
Vielleicht habt ihr aber noch andere Ideen? Oder so eine Situation mal erlebt und da irgendwie sinnvoll reagiert? Ich fahre regelmäßig mit dem Zug und sehe häufiger mal gestresste Eltern. Niemand von denen war bisher so drauf wie dieser Vater, aber dass sowas mal wieder passiert, ist nicht so unwahrscheinlich. Vielleicht sehe ich ja sogar die gleiche Famiile nochmal.
Ich wäre über Tipps oder eigene Erfahrungen dankbar...oder auch für Hinweise zu telefonischen Beratungsstellen.
Danke fürs Lesen!
Jo