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Auf der suche nach meinem Problem

G

Gast

Gast
Guten Morgen/Mittag/Abend liebe Gemeinde,

ich weiß nicht, wie ich genau anfangen soll. Ich mache 2017 mein Abitur und möchte später gerne Psychiater für Kinder und Jugendliche werden. Ich lese Bücher über die Psyche und momentan bin ich dabei, ein Buch über Traumata zu lesen. Ich finde diese Themen unglaublich interessant und lese mit einer Leidenschaft, mit der andere (was weiß ich wie viele) Romane lesen.

Aber ich lese auch Dinge, die mir bei mir selbst ziemlich bekannt vorkommen. Diese Bücher bringen mich zum Nachdenken über mich selbst und meine Probleme, die ich habe und hatte. Und so langsam frage ich mich, warum ich überhaupt so bin, wie ich bin und warum ich schon im Grundschulalter so ein paar psychische Probleme hatte, von denen man nicht sagen kann, dass diese jeder als Kind hatte - dass sie also der "Normalfall" im Kindesalter sind.

Ich möchte euch ein paar Beispiele nennen, die mir durch das Buch über Traumata wieder eingefallen sind und mir im Nachhinein spanisch vorkommen. Ich stelle mir die Frage: "Warum war das so?"

Als Grundschulkind stand ich jeden Morgen auf und meine Mutter machte mich fertig für die Schule. Ich wollte immer abgeholt werden und auf keinen Fall laufen, obwohl es nur rund 10 Minuten Fußweg nach Hause waren. Mein Vater war mein Abholer. Als er dann ebenfalls aufstand, war meine erste Frage immer: "Holst du mich heute ab?"
Ich wusste eigentlich jeden Tag, dass er es tun würde, auch wenn ich ihm es nicht sagte. Aber ich hatte immer eine große Unsicherheit. Ich sagte ihm gefühlte hunderte Male, um wie viel Uhr er mit dem Auto an der Schule sein sollte. Ich merkte, dass es ihn nervte, dass ich es ihm so oft sagte. Aber ich musste immer zu 100% sicher sein, dass er es verstanden hatte. Die 100% erreichte ich jedoch nie und erinnerte ihn immer wieder an die selbe Uhrzeit.
Meine Mutter brachte mich immer zu Fuß zur Schule. Wir nahmen dazu den Hund mit und gingen mit einem Nachbarkind zusammen.

Als ich in der Schule ankam, hatte ich mir immer eingebildet, ich habe Bauchschmerzen. Und JEDEN TAG ging ich also in der ersten Stunde zu meiner Lehrerin und sagte es ihr. "Frau ..., ich habe (schon wieder) Bauchschmerzen"
Ich hatte einfach immer "Heimweh" - so kam es mir vor. Ich wollte immer nach Hause und sicherstellen, dass alles in Ordnung ist. Trotzdem musste ich in der Schule bleiben.

Was wohl immer dazu kam war folgendes: WENN ich mal alleine zu Fuß nach Hause gehen sollte/musste, war ich immer total aufgeregt. Ich sah mich immer nach "Autos am Straßenrand" um und bekam immer ziemliches Herzrasen, wenn ein Auto nur etwas langsamer an mir vorbeifuhr - geschweige denn anhielt. Ich hatte immer Angst davor, entführt zu werden. Ich hatte immer Angst davor, dass mir jemand etwas antut. Es war immer furchtbar.

Ich meine, diese Angst wird wohl jedes Kind mal gehabt haben. Aber dass es so ausgeprägt ist....

Jetzt zur heutigen Zeit:

Ich habe heutzutage riesige Probleme, Gefühle zu zeigen. Das heißt, ich kann meiner Mutter einfach nicht sagen, dass ich sie liebe. Meinem Vater und meinem Bruder auch nicht. Ich spüre die Liebe, kann sie aber nicht ausdrücken. Wenn meine Mutter meine Hand halten will, "schlag" ich sie weg. Ich kann das einfach nicht. Wenn sie mich umarmen will, fühle ich mich scheiße.
Wenn es mir mal schlecht geht, und sie will mir helfen, fühle ich mich noch schlechter.
Ich möchte einfach nicht, dass meine Mutter sich um mich kümmert. Das ist ein Fakt, den ich immer wieder im Hirn habe.

Was dazu kommt: Ich habe einfach bei einer kleinen Auseinandersetzung direkt totale Angst. Aber nur bei Außenstehenden.
Wahres Beispiel: Ich fahre mit meiner Mutter und meinem Hund in den Wald. Wir parken auf dem Waldparkplatz. Von rechts kommt in 50 Metern Entfernung ein Mann mit seinem Sohn und einem großen (unerzogenen) Hund. Ich steige mit meinem ebenfalls unerzogenen Hund aus. Mein Hund bellt, der andere Hund rastet vollkommen aus. Und mit ihm der Mann. Er schreit mich und meine Mutter an, dass wir doch mal hätten warten können, bis sie mit ihrem Hund an unserem Auto vorbeigegangen waren. Durch den Mann wurde ich kreide bleich, ich fing an zu zittern und hatte große Angst. Zudem hatte ich das Gefühl, ich würde mir wortwörtlich gleich in die Hose machen. Das ist nicht nur einmalig vorgekommen - das kommt immer vor, wenn es um solche verbalen Attacken geht. Selbst, wenn ein Lehrer mich mal ermahnt.

Wissen Sie, was ich meine? Mein größter Wunsch ist es, Kinder-/Jugendpsychiater zu werden, um mich unter anderem mit genau diesen Dingen auseinanderzusetzen, obwohl ich die Ursache für all das bei mir selbst noch nicht einmal herausgefunden habe.

Nun wende ich mich an Sie und bitte um Ihre Einschätzung. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für mich nehmen.

Liebe Grüße!
 

Nordrheiner

Sehr aktives Mitglied
Lieber Gast,

Dein Bericht liest sich schon alarmierend. Du hast offensichtlich (vermutlich) eine gestörte emotionale Beziehung zu Deiner Mutter. Die Ursache dieser Störung liegt möglicherweise im Kleinkindalter, zu dem Du derzeit anscheinend keinen Zugang hast. Ich kann nur vermuten, dass Deine emotionale Störung mit einem oder mit mehreren Vorfällen zu tun hat. Diese emotionale Störung scheint mir die Ursache zu sein für Unsicherheit und Ängste, die Dich belästigen.

Aus meiner Sicht ist das Hinzuziehen eines Profis erforderlich. Das Lesen von Fachliteratur ist gut, ersetzt aber nicht die Beobachtung und Fachkenntnisse, Erfahrungen eines Profis.

Bitte siehe Dich nach fachlicher Hilfe um (Psychiater, Psychotherapeut)

Ängste sind real oder irreal. Reale Ängste sind z.B. das blinde Laufen auf die Straße. Die Angst ist in so einem Fall ein Helfer, erst nach rechts und dann nach links zu schauen. Habe "ich" das getan, gibt es keinen realen Grund mehr für Angst. Bei irrealen Ängsten sind die Ursachen oft nicht so schnell erkennbar. Irreale Ängste werden vom Gehirn abgerufen als eine gespeicherte Handlungsanweisung. Diese Handlungsanweisung hast Du als Kleinkind gespeichert als Reaktion auf einen Vorfall. Damals konntest Du nicht anders auf den Vorfall reagieren, als durch Angst. Angst ist insofern der Ausdruck des Kleinkindes für Hilflosigkeit. Jetzt aber könntest Du auf so ziemlich alle Situation anders reagieren als mit Angst, wenn Du z.B. überlegst "wie verhalte ich mich jetzt am besten?".
Das Problem ist mit so einer Frage und der Antwort darauf nicht gelöst, denn das Gehirn ruft trotzdem erstmal Angstgefühle ab. Hier stehen sich Angstgefühle (Unsicherheit) und bewusstes Denken (ich brauche keine Angst haben, wenn ich nur dies oder das tue.) gegenüber.

Was aus meiner Sicht hilfreich ist,
1) ist das Bewusstmachen der Ursachen der Angst ( = aus welchen Gründen hat das Gehirn "damals" Hilflosigkeit festgestellt und Angst als Reaktion abgespeichert?). Dazu ist der Profi wichtig

2) ist das Überspeichern des alten Lösungsverhalten mit einem neuen und hilfreichen Lösungsverhalten.
Auch dazu ist der Profi wichtig .... Und wenn Du ein neues Lösungsverhalten lernst, bedarf es noch eines guten Trainings. Denn was Du jahrelang abgespeichert und falsch praktiziert hast, lässt sich nicht von heute auf morgen ändern.

Ich hoffe, diese Gedanken helfen Dir etwas weiter. Wenn Du noch Fragen hast, dann stelle sie...

LG; Nordrheiner
 
G

Gast

Gast
Hi,
du solltest nicht Kinder-und Jugendpsychiater WERDEN, sondern einen solchen aufsuchen.
Man kann sich logischerweise nicht selbst therapieren, da der neutrale Gegenpart fehlt.

Übrigens ist es völlig normal, dass man in deinem Alter nicht gerne von Mutti umarmt wird und seinen Familienmitgliedern nicht mit Liebeserklärungen kommt.

Dein "Problem" scheint mir viel eher, dass du beziehungsmäßig nicht aus dem Quark kommst und ein schwach entwickeltes Selbstwertgefühl hast.
 
P

Pierre-Adrian

Gast
[...] Das heißt, ich kann meiner Mutter einfach nicht sagen, dass ich sie liebe. Meinem Vater und meinem Bruder auch nicht. Ich spüre die Liebe, kann sie aber nicht ausdrücken. Wenn meine Mutter meine Hand halten will, "schlag" ich sie weg. Ich kann das einfach nicht. Wenn sie mich umarmen will, fühle ich mich scheiße. Wenn es mir mal schlecht geht, und sie will mir helfen, fühle ich mich noch schlechter. Ich möchte einfach nicht, dass meine Mutter sich um mich kümmert. Das ist ein Fakt, den ich immer wieder im Hirn habe.
Wer sagt / verlangt von Dir,
dass Du Deiner Mutter, Deinem Vater, Deinem Bruder
(regelmaessig)
sagest "Ich liebe dich"?
Lass doch stecken, und lebe Deinen Tag im familiaeren Umkreis ohne
sich pflichtig anfuehlende
vermeintlich zu taetigende "Ich-hab-dich-lieb"-etc.-Aussagen.

Und wenn Du nicht willst, dass Deine Mutter Dich umarme, sich um Dich kuemmere:
Dann kommuniziere ihr das. Aehnlich, wie Du's hier im Forum getan hast.

Was dazu kommt: Ich habe einfach bei einer kleinen Auseinandersetzung direkt totale Angst. Aber nur bei Außenstehenden. Wahres Beispiel: Ich fahre mit meiner Mutter und meinem Hund in den Wald. Wir parken auf dem Waldparkplatz. Von rechts kommt in 50 Metern Entfernung ein Mann mit seinem Sohn und einem großen (unerzogenen) Hund. Ich steige mit meinem ebenfalls unerzogenen Hund aus. Mein Hund bellt, der andere Hund rastet vollkommen aus. Und mit ihm der Mann. Er schreit mich und meine Mutter an, dass wir doch mal hätten warten können,bis sie mit ihrem Hund an unserem Auto vorbeigegangen waren. Durch den Mann wurde ich kreide bleich, ich fing an zu zittern und hatte große Angst. Zudem hatte ich das Gefühl, ich würde mir wortwörtlich gleich in die Hose machen. Das ist nicht nur einmalig vorgekommen - das kommt immer vor, wenn es um solche verbalen Attacken geht.
Google mal unter
dem Stichwort
"Hochsensibilitaet".
Vielleicht findest Du Dich ja in jenem Garten ein Stueck weit.
 
Zuletzt bearbeitet:
G

Gast

Gast
Lieber Nordrheiner,

ich danke dir für deine lange Antwort. Ich denke, dass ich diesen Profi auf jeden Fall hinzuziehen werde, um dem ganzen mal auf den Grund zu gehen.

"Diese Handlungsanweisung hast Du als Kleinkind gespeichert als Reaktion auf einen Vorfall. Damals konntest Du nicht anders auf den Vorfall reagieren, als durch Angst. Angst ist insofern der Ausdruck des Kleinkindes für Hilflosigkeit. Jetzt aber könntest Du auf so ziemlich alle Situation anders reagieren als mit Angst, wenn Du z.B. überlegst "wie verhalte ich mich jetzt am besten?".
Das Problem ist mit so einer Frage und der Antwort darauf nicht gelöst, denn das Gehirn ruft trotzdem erstmal Angstgefühle ab. Hier stehen sich Angstgefühle (Unsicherheit) und bewusstes Denken (ich brauche keine Angst haben, wenn ich nur dies oder das tue.) gegenüber. "

^^ Genau so wird das auch in meinem Buch beschrieben. Und das ist so was, was mich an mich selbst erinnert, weißt du? Dazu kommen noch diese ganzen Symptome von Traumata, die mir sehr bekannt vorkommen.

Deine Antwort hat mir sehr geholfen. Dankeschön! :)
 
G

Gast

Gast
Lieber Pierre-Adrian,

erst mal danke ich auch dir für deine Antwort :)
Natürlich verlangt keiner von mir, dass ich das jeden Tag sage. Aber darum geht es ja nicht. Es geht einfach um den alleinigen Gedanken, dass es nicht funktioniert. Weder das "Ich liebe dich" sagen, noch eine Umarmung oder das Zulassen von "Hände/Backen streicheln". Das kommt halt mal vor unter Müttern, aber wenn man es dauerhaft nicht annehmen kann..?

In mir herrscht kein Druck, "ich liebe dich" sagen zu müssen etc. Ich mache mir einfach Gedanken, warum das Einfache nicht so funktioniert, wie bei anderen.

LG!
 
G

Gast

Gast
Bei welchen anderen "funktioniert" das denn???
Ich kenne keinen Teen, der seiner Familie verbale Liebeserklärungen macht.
Außer in der Filmserie "Unsere kleine Farm"....
Warum sollte man das tun?
Liebe spürt man.
Oder eben nicht.
 

Nordrheiner

Sehr aktives Mitglied
Bei welchen anderen "funktioniert" das denn???
Ich kenne keinen Teen, der seiner Familie verbale Liebeserklärungen macht.
Außer in der Filmserie "Unsere kleine Farm"....
Warum sollte man das tun?
Liebe spürt man.
Oder eben nicht.
Doch, es gibt solche Familien, in denen auch ältere Kinder keine emotionalen Probleme haben und zur Mutter oder zum Vater sagen "ich habe Dich sehr lieb" oder ähnlich. Liebe sollte man spüren, das ist richtig. Man darf auch darüber mal reden und sie mit Worten zum Ausdruck bringen. Wie heisst es so schön: Wovon das Herz voll ist, läuft der Mund über.
 

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