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Abschied

unloved

Neues Mitglied
Gedanken

Papa, ich weiß dass du diesen Brief niemals mehr lesen wirst und trotzdem muß ich ihn schreiben. Die Frage nach dem WARUM stelle ich mir schon lange nicht mehr, vielleicht hast du mich geliebt, ja, aber auf eine falsche Art, nicht wie ein Vater seine Tochter lieben sollte.
Es ist schon solange her, der Tag als du mich gezwungen hast Dinge zu tun, die mir so fremd waren, ich war noch so klein, wie sollte ich das verstehen, wie sollte ich mich zur Wehr setzen? Für mich war es grausam, widerwärtig und gemein, du hast meine Hilflosigkeit und Angst ausgenutzt, mich unter Druck gesetzt, und immer wieder diese abscheulichen Dinge von mir verlangt.
Ich konnte mich niemandem anvertrauen, denn du hast gesagt es ist normal und wir Beide müssen unser Geheimnis für uns behalten, Mama würde mich weggeben wenn sie es wüßte und ich würde in ein Heim gesperrt. Papa, ich war 9 Jahre alt, ich hatte Angst. Du warst der Mensch der mich beschützen sollte.
Eines habe ich gelernt, ich war geradezu eine Künstlerin im Verdrängen und auch darin dir aus dem Weg zu gehen. So klein ich auch noch war, so erfinderisch war ich wenn es darum ging nicht mit dir allein zu sein. Irgendwann hast du mich auch in Ruhe gelassen, keine weiteren Versuche gestartet und ehrlich gesagt ich habe dir auch keine Möglichkeiten dazu gelassen.
Jahrelang habe ich alles verdrängt, mit niemandem gesprochen, bin früh zu Hause ausgezogen und habe versucht mein Leben zu Leben. Hatte eine liebevolle Beziehung zu meinem Ehemann, viel Kontakt zu meiner Mama aber dich habe ich mit einer Kälte behandelt, die sich keiner erklären konnte. Mama hat mich oft gefragt, aber wie sollte ich das nach so viel Jahren noch sagen, sie hat dich so sehr geliebt.
Als meine Kinder zur Welt kamen, kam alles wieder hoch. Ich wollte sie schützen, den Kontakt mit dir verhindern soweit es ging. Das ist mir auch gelungen. Niemals durftest du meine kleine Tochter anfassen, wie eine Löwin habe ich sie bewacht wenn du in der Nähe warst.
Als dann meine liebe Mama starb, fing alles wieder von vorn an. Du hast am gleichen Tag 2 Schlaganfälle gehabt und wurdest zum Pflegefall. Nun wurde von mir erwartet das ich mich um dich kümmern soll. Da habe ich das erste Mal in meiner Not über alles gesprochen. Habe meine beiden Brüder eingeweiht, für die ist eine Welt zusammen gebrochen, aber sie haben mir soweit es ging Unterstützung gegeben, nur waren sie zu weit weg. Durch meine ganzen Probleme ist auch meine Ehe in dir Brüche gegangen, habe mich jahrelang meinem Mann verweigert, konnte einfach nicht mit ihm schlafen oder gar Nähe ertragen. Die einzige Nähe die ich zuließ war die meiner Kinder.
Trotz allem habe ich mich um alles gekümmert, dir ein Pflegeheim gesucht, dich regelmäßig besucht, eben wie es von einer guten Tochter erwartet wird. Es ging dir immer schlechter, Ich hätte nun eigentlich Freude über deine Hilflosigkeit verspüren müssen, habe mir selbst immer wieder versucht zu sagen, lass ihn dort verrecken, aber ich konnte es nicht. Nicht mal das konnte ich Papa. Ich habe an deinem Bett gesessen wenn du die Decke angestarrrt hast, habe mich um dein Angelegenheiten gekümmert, nur ich habe dich niemals angefasst oder deine Hand gehalten. Solange bis meine Kräfte versagt haben. Ich habe meine Brüder gebeten sich um alles zu kümmern, aber mich immer auf dem laufenden zu halten.
Papa, vorgestern bist du nun von deinen Leiden erlöst, du hast unsagbar gelitten, Schmerzen gehabt, und du wolltest nicht mehr auf dieser Welt sein. Zwei Jahre lang mußtest du es ertragen, zwei Jahre lang mußte ich es ertragen.
Ich verspüre keine Genugtuung, keine Trauer, nur das Gefühl der Erlösung für dich und für mich.
Wenn nächste Woche die Beisetzung ist, werden sie Lobeshymnen über dich sagen. Papa wir wissen das du anders warst, aber ich werde dich nochmal schützen und wieder meinen Mund halten.
Ich wünsche mir nur das wir endlich unseren Frieden finden.
 
Hallo unloved,

schau mal hier: Abschied. Hier findest du was du suchst.

Sisandra

Moderator
Hallo unloved,

beim Lesen deiner Zeilen sind mir die Tränen runtergelaufen. Estut mir so leid, was dir passiert ist.

Ich wünsche dir, dass du deinen Frieden finden kannst.

Alles Gute
Sisandra
 

Omana

Urgestein
Liebe Unloved,

ich verstehe Dich sehr gut.

Auch ich saß am Strebebett meines Vaters, der jämmerlich verreckt ist (sorry). Ich dachte mir, es muß wohl seine Strafe sein.

Nun, ich bin jetzt im Reinen mit ihm. Weiß auch nicht wieso. Ich konnte nie drüber reden. Jetzt ist es auch das erste Mal öffentlich hier.

Deine Zeilen haben mich tief berührt.
Fühle Dich verstanden von mir.

Dein Vater wird Deinen Brief erhalten.

LG Omana
 

unloved

Neues Mitglied
Danke, ich wünsche mir auch nichts sehnlicher. Ich mußte es mir einfach von der Seele schreiben, und genau diesen Brief werde ich nächste Woche mit in sein Grab legen. Ob es hilft? Ich weiß es nicht, aber es ist ein Versuch wert
 
Zuletzt bearbeitet:

Tyra

Sehr aktives Mitglied
ein sehr schöner Brief..ich würde es tun...ihn also ins Grab schmeissen...

Aber gleichzeitig auch zu einer Therapie raten...denn dein Selbstwertgefühl ist eindeutig angeknaxt...und es wäre nicht gut, wenn die Macht des Täters auch noch über sein Grab hinaus derart groß wäre, dass du unter dem erlittenen Trauma weiterhin zu sehr leiden müsstest. Achte also auf dich und liebe dich selber genug um dir Gutes zu tun!

Irgendwann sollte mit traumabedingtem Leid Schluss sein...und du auch zumindest ggü einem Therapeuten (der SChweigepflicht hat) dein Schweigen brechen..das ist wichtig um die Macht des Täters zu brechen und um dein Trauma ausreichend zu verarbeiten...es wird Zeit dazu, Zeit mit der Vergangenheit abzurechnen und abzuschließen..so gut es geht...und es geht leichter indem man das unter fachkundiger Anleitung tut.

Tyra

Frage: warum nennst du dich unloved? Ist das in Bezug auf deinen Vater oder auf dich selber?
 
Zuletzt bearbeitet:

unloved

Neues Mitglied
Hallo Tyra,

vielen Dank für deine Antwort.
Als erstes muß ich dir sagen du hast Recht, sicher wäre eine Therapie das sinnvollste, ich habe auch schon Versuche gestartet, aber ich habe es nicht geschafft, noch nicht. Mir geht es aber auch nicht so schlecht wie es in dem Brief scheint. Ich habe mein Leben relativ gut im Griff, bin jetzt durch den Tod meines Vaters ein bisl durcheinander und weiß nicht so recht wie ich damit umgehen soll. Meine Brüder stehen mir da aber nach wie vor zur Seite und raten auch zur Therapie. Zudem habe ich zwei liebe Kinder, die bereits erwachsen sind und mit denen ich auch ganz viele Gespräche geführt habe. Seit 3 Jahren habe ich einen neuen Partner, der auch über alles Bescheid weiß. Den Fehler zu Schweigen habe ich nicht wiederholt.
Ich werde Abwarten wie es mir nach der Beisetzung geht. Wenn es ein schlechtes Gefühl bleibt, werde ich mir von aussen Hilfe holen, ganz sicher, denn ich will endlich frei sein.

zu deiner Frage wegen dem Namen.....hmmmm....er hat keine bestimmte Bedeutung für mich, ist weder auf mich, noch auf meinen Vater bezogen, sondern eigentlich nur auf diese Situation, die ich im Moment erlebe.

liebe Grüße unloved
 
F

Fernlicht

Gast
Hallo
Es ist gut,das Du Dir das alles von der Seele geschrieben hast!
das heißt nicht,das Du "fertig"damit bist,aber es wird dir helfen!
Ich weiss ,das ich erleichtert war,als mein Vater gestorben war,keine Trauer empfand,bin auch nie wieder an sein Grab !
Das Haus wurde verkauft,die Leute haben ALLES am Haus verändert....habe es mir angesehen und gedacht :alles vorbei....,als ob es nie gewesen wäre.....,ABER MEINE SEELE SPÜRT;DAS ES KEIN TRAUM WAR !!
Wünsche Dir MUT und Kraft
 

unloved

Neues Mitglied
Hallo Fernlicht,

ich denke auch das man die Seele nicht betrügen kann. Ich muß halt sehen wie es mir Ende nächster Woche geht. Im Moment bin ich in einem absoluten Gefühlschaos. Es ist weder Trauer noch Freude, allenfalls eine Art von Erleichterung, die dadurch getrübt wird, dass ich alles regeln muß. Aber das ist auch irgendwie mechanisch, so als ob ich es gar nicht bin. Diese Situation ist mir noch sehr vertraut, auch wenn sie lange her ist. So habe ich mich als Kind immer gefühlt wenn ich hilflos alles über mich ergehen lassen mußte.Das ist es glaube ich was mich so sehr verwirrt.
 

Sissy73

Sehr aktives Mitglied
Hallo unloved,

ich weiss nicht wirklich, was ich sagen soll-auf das...was ich vorhin gelesen hab....die richtigen Worte zu finden, ist sehr schwer...bis unmöglich.
Ich bin sehr betroffen, von deinen Zeilen.

Vielleicht findest Du einen Weg-deinem Vater verzeihen zu können...einen Weg-um mit allem ins "Reine" zu kommen. Es hört sich-ich weiss, an wie Hohn. Es ist ja nicht so-dass Du keine Narben davon getragen hättest. Dennoch hoffe und wünsche ich Dir, dass Du -ggf. auch durch fachmännische Hilfe-dein Trauma übwerwinden kannst. Aber um alles "hinter Dir" lassen zu können...oder zumindest mit deiner Vergangenheit leben zu können-ist es vielleicht auch notwendig...mit Deinem Vater "abschließen" zu können.

Weisst Du-ich bin mir sicher, dass es eine Zeit gibt-in der wir alle für unsere vorsätzliche Taten zu Rechenschaft gezogen werden. Das wird wohl erst im Jenseits sein-aber ich glaube daran. Es liegt nicht in unserer Macht-über Tode ein Urteil zu fällen...so gerne wir das sicher auch tun würden.

Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du einen Weg findest-mit Dir und deinem Vater ins Reine zu kommen. Die Toden sollte man Ruhen lassen...aber die Schmerzen die Du über all die Jahre davongetragen hast...die darfst Du nicht auf sich beruhren lassen-denn sie brennen sicher auf Deiner Seele. Deshalb darfst Du nicht mehr länger Schweigen...dein Schweigen ist -denk ich eine Form der Verdrängung...aber Du solltest einen Weg finden-alles zu verarbeiten...das wünsche ich Dir so sehr!

Alles Liebe
Sissy
 

unloved

Neues Mitglied
Hallo Sissy,

vielen Dank für deine lieben Worte.
Das Schweigen habe ich ja schon lange gebrochen, habe viel mit meinen Brüdern, meinem Ex-Mann und auch mit meinen Kindern geredet. Auch mein jetziger Partner ist ein aufmerksamer Zuhörer. Nur öffentlich habe ich es nicht gemacht, blieb alles im Kreise der Familie.
Hier ist es das erste Mal das ich öffentlich etwas dazu sage und es tut mir gut. Alle eure Antworten sind eine Unterstützung und wie ein kleines Pflaster für meine Seele. Ich bin hier nicht allein und so viele die hier schreiben haben großes Leid erlebt.
Ich bin froh das ich es gewagt habe. Nun werden mir auch weitere Schritte nicht mehr so schwer fallen.
Aber eines werde ich niemals tun. Ich werde ihn nicht an den Pranger stellen, das hilft weder mir noch ihm.

liebe Grüße unloved
 

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