Ich glaube, man muss auch aufhören, seine Energie auf Menschen zu verwenden, die man eben aus Zwangskontexten, wie du sie nennst, kennt und von denen man viel Ablehnung erfahren hat. Die Eltern und Geschwister sind ja so die ersten Menschen, mit denen man Beziehung, Freundschaft und Liebe durchlebt. Wenn man da oft enttäuscht wird, ist man versucht, dieses Trauma durch sein Leben zu tragen. Man ist sich nicht immer dessen bewusst, aber im Grunde fragt man sich doch immer, wer einen lieben soll, wenn es schon die eigenen Eltern nicht taten oder was man falsch gemacht hat, dass man beim eigenen Bruder einfach nie eine Chance hatte und ob es nicht so oder so noch ginge, wenn man ihm nur beweisen könnte, wie sehr man ihn mögen will und wieviel man ihm geben könnte. Viele erschöpfen sich im Versuch die Anerkennung und Liebe von Menschen zu erringen, die sie sich nie aktiv aussuchen konnten. Das kann einen ganz schön frustrieren und einen daran zweifeln lassen, dass man echte Verbundenheit erfahren kann.
Aber du hast eine neue Chance. Bei deinen eigenen Kindern. Die Richtung ist natürlich eine andere.
Bei Freunden und Partnerschaften war es für mich persönlich wichtig anzuerkennen, dass sie auch gut und "gültig" sein können, auch wenn sie nicht für die Ewigkeit geschaffen sind. Bei anderen Menschen klappt das vielleicht besser, aber oft ist es bei mir so, dass auch langjährige Freunde ihre eigenen Entwicklungen durchlaufen wie man selbst. Man hat Kinder und die interessieren vielleicht nicht jeden, jemand anderer hat eine neue Partnerin und verschwindet mal eine Weile von der Bildfläche, vielleicht sogar Jahre. Plötzlich hat das frühere Netz, in dem man sich ausgetauscht hat, große Lücken und man kommt sich alleine vor, auch wenn dann wieder alte Freundschaften auftauen. Auch neue Bekanntschaften können immer wieder mal verschwinden, werden ersetzt, verlaufen im Sand und man denkt, man könne sowieso niemanden halten. Aber auch kurze Begegnungen können gut und wichtig sein. Auch ein Gespräch mit jemandem, der vielleicht nicht viele Jahre an deiner Seite sein kann, kann Erleichertung bringen. Natürlich wird einen nicht jeder so kennen wie jemand, den man schon ewig trifft. Aber eigentlich: Die eigenen Eltern kennen einen seit Kindertagen und haben oft auch null Ahnung. Und irgendwann ist man in einem Alter, wo auch die langjährigen Freunde die Hälfte wieder vergessen haben und man dieselbe Geschichte wieder und wieder erzählen kann. 😂 Man kann auch Kurzbekanntschaften und scheinbar zufälligen Begegnungen eine Chance geben, ohne es als Kränkung zu empfinden, wenn sie wieder verschwinden. Jede Sekunde, in der jemand ehrliches Interesse hatte, sei es nur kurz, ist wertvoll. Daraus kann man schöpfen. Aber man muss sich vielleicht manchmal im Leben schmerzlich von der Vorstellung verabschieden, dass wahre Dinge Bestand haben müssen.