Man kann vergeben, aber nicht vergessen.
Tatsächlich hat "Vergebung" viel mit dem eigenen Erfahrungswert zutun.
Der eine kann es gut, ohne sich selbst etwas vorzumachen, der andere muss sich etwas vormachen, und ein anderer kann es garnicht.
Vergebung ist erst einmal nur ein Prozess für sich selbst. In dem man sich fragt "Wieso verletzt mich das so sehr?" oder auch "Warum empfinde ich dieses oder jenes?", meist fühlen wir unsere Gefühle aufgrund eines Erfahrungswertes den wir vorher schon empfunden haben. Meist aus unserer Kindheit. Das heißt bestimmte Gefühle sind in unserem Gehirn auch mit einer Erinnerung verbunden. Auch mit Erziehung, wie wir etwas vorgelebt bekommen, auch die moralische Erziehung, und wie unsere Eltern mit solchen Gefühlen umgegangen sind.
Jeder verarbeitet den Prozess der Vergebung anders um. Zum Beispiel wurde meine Tante ermordet, auf offener Straße. Aber ich habe dem Mörder vergeben. Ich empfinde keinen Hass ihm gegenüber, sondern Mitleid. Er wollte nur ihren Schmuck, ihr Handy um es dann zu verkaufen um sich Drogen kaufen zu können. Jeder tut etwas weil er sich davon eine Besserung seines Befindens verspricht. Das rechtfertigt seine Tat nicht, und hassen tue ich ihn auch nicht. All das würde mir meine Tante nicht zurückgeben. Das einzige was er noch erreichen würde, wäre dass ich ein Leben in Verbitterung und Hass lebe, indem ich ihm vergebe, nehme ich ihm die Macht über mich.
Und das, finde ich, macht Vergebung aus. Indem man selbstbestimmt seine Gefühle verarbeitet. Es wäre einfach diese Gefühle auf ihn zu projezieren. Tue ich nicht, ich projeziere diese Gefühle auf den Verlust. Und mit dem Verlust kann ich etwas für mich selber tun. Ich kann damit umgehen, es erleben, und daraus eine Stärkung ziehen, die mich damals wieder auf die Beine brachte. Bei meiner Mutter, der Schwester, war das anders. Sie konnte und kann ihm nicht vergeben, und bis heute ist sie immernoch voller Wut und Hass ihm gegenüber.
Das hat nichts mit Betrug oder Fremdgehen zu tun, aber ich denke man wird verstehen können was ich damit sagen will. Das Gefühl das man dabei hat ist eine Sache, die Tat selber ist eine andere. Und auch wie man zu sich selbst steht, das hat viel damit zutun. Ein Mensch mit Selbstliebe und Eigenständigkeit reagiert anders als dieser der wenig bis garkeine Selbstliebe empfindet und in Abhängigkeit des Partners lebt. Was man beobachtet ist nämlich folgendes, der selbstliebende und eigenständige Mensch kann sowas schneller verzeihen, als dieser der in Abhängigkeit des Partners lebt. Denn der Betrug ist viel tiefgreifender, und die Selbstzweifel verhärten sich, werden aber auf den Partner projeziert mit Wut, Trauer und Schmerz.
Wie man vergeben kann ist also eher eine Lebenseinstellung, wie man sich selbst sieht, wie man die Menschen um sich herum sieht. Ich sehe das so wie ich es schon sagte, jeder tut etwas um sein eigens Befinden zu bessern. Wenn es die schnelle und einfache Befriedigung einer Lust ist, dann soll jemand das tun. Wenn ich damit nicht einverstanden bin, dann heißt das für mich nur, dass ich diesem Menschen das zwar vergeben kann, und somit auch mir selbst vergebe, aber nicht dass ich die Werte dieses Menschen vertreten möchte, oder sie unterstützen.
Ich wurde schon einmal betrogen, wir haben danach geredet und ich fragte ihn ob er sich sicher ist, dass er mit mir eine monogame Beziehung führen möchte. Er sagte er wüsste es zur Zeit einfach nicht. Ich denke, dass da mehr stand, aber nicht gesagt wurde. Somit war nicht der Betrug der eigentliche Auslöser, dass wir uns dann trennten, sondern die fehlende Offenheit. Auch zum einen, dass ich es damals nicht vom ihm erfahren hatte, sondern durch Umwege. Vergeben habe ich ihm schon, denn alles hat seine Gründe, ob gut oder schlecht, nur vergessen konnte ich es dann nicht.