Guten Morgen zusammen,
mein Vater ist im Januar '17 nach einer schweren Erkrankung im Alter von 58 Jahren verstorben. Seitdem ertrage ich es kaum noch, mich mit meiner Mutter zu umgeben. Wir wohnen im selben Haus (Sie unten, ich oben zur Miete) und sehen uns dementsprechend oft. Wann immer wir uns unterhalten, nach wenigen Minuten ist wieder mein Vater das Hauptthema.
Ich erzähle ihr, dass ich heute Spaghetti gekocht habe? Prima, das mochte mein Vater ja auch so gern. Ich erzähle ihr, dass ich in Supermarkt XY einkaufen war. Nein, den mag sie gar nicht, den mochte mein Vater ja schließlich auch nicht. Sie erzählt das alles zudem nicht in doppelt und dreifacher, sondern gleich in zehnfacher Ausführung. Egal worum es geht, ja da war ich mit deinem Vater ja auch schon, ach nein, das mochte er nicht, das mag ich deshalb auch nicht.
Das Schlimmste ist jedoch, dass sie mich immer und immer wieder daran erinnert, wie sehr er die Tage und Wochen vor seinem Tod trotz Palliativmedizin gelitten hat. Immer wieder bringt sie zum Thema, wie er Blut erbrochen hat, wie er geweint hat aus lauter Hilflosigkeit, wie er vor Schmerzen geschrien hat.. Ich frage mich ernsthaft, wie Trauerbewältigung SO funktionieren soll. Sein Tod ist schlimm genug für mich, da muss ich nicht noch ständig dran erinnert werden, wie dreckig es ihm ging.
Ich habe ihr das auch schon mehrfach so gesagt, dass sie sich nicht ständig an derlei furchtbare Ereignisse erinnern und zur Sprache bringen soll, da ich sowas einfach nicht dauernd hören bzw. daran denken will. Sie wird dann jedesmal sofort stocksauer, ausfallend und regelrecht beleidigt. Sie wirft mir dann vor, dass ich ja gar nicht nachvollziehen könne, wie sie sich fühlt, denn er war ja NUR mein Vater, aber ihr Ehemann und das sei deshalb alles viel schwieriger für sie. Sie wirft mir vor, ich würde ja alles nur verdrängen, was Quatsch ist, ich möchte lediglich nicht dauernd über sein Leiden kurz vor seinem Tod reden, weil es meiner Meinung nach nichts bringt.
Auch gestern beim Weihnachtsessen mit der Familie ging es ständig nur drum, wie sehr mein Vater das Essen ja auch gemocht hätte, dann wurde wieder erzählt, dass er letztes Jahr um die Zeit ja schon gar nichts mehr essen konnte und bereits innere Blutungen hatte.. meine Güte, will man sowas beim Weihnachtsessen wirklich hören?! Ich bin langsam mit den Nerven echt runter, denn sie versteht es einfach nicht. Ich schaffe es aber auch nicht, den Kontakt zu reduzieren, weil sie mir leid tut. Wir haben ohnehin keine große Familie, mein älterer Bruder lebt mit Frau und Kindern in Amerika, Onkel, Tanten etc. wohnen alle in ganz Deutschland verstreut und somit bin nur noch ich da.
Psychologischen Rat einholen lehnt sie übrigens ab, da ihr Verhalten in ihren Augen ein komplett normaler Trauerprozess sei (ach, tatsächlich?!). Was sagt ihr zu dem Ganzen? Ist dieses Verhalten wirklich "normal"?